Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz 331.jpg

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„Muß ich denn verloren sein?
O Maria, Gottes Mutter,

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Der ich einstens ward gefunden,

In die Windeln eingewunden,

Denke meiner frommen Stunden,
Lasse sterbend mich gesunden!“
Lallt sie, peinlich traumumwunden,

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Zu der reinen Seele Heil.


„Sei gegrüßt, du Todespfeil,
Sei gegrüßt mit reinem Munde,
Der nie freche Lust getrunken,
Keuscher Tod in keuscher Wunde!

485
Flieh, du letzte sündge Stunde!

Märtyrkrone sei errungen!“
Dann ruft sie mit kühner Zunge:
„O Maria, erbarm dich mein!“

Und die goldne Nadel fein

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Stößt sie in den reinen Busen

Durch die goldne Rosenblume,
Sinket nieder, heilig blutend.

Und es schlägt die zwölfte Stunde.
„Weh, zu spät ists zu dem Trunke!“

495
Schreit der König, und geht unter.
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Trier: Petrus-Verlag G.m.b.H., 1912, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_331.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)