Seite:Brentano Romanzen vom Rosenkranz A 009.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

ist die Versöhnung und Begnadigung durch Buße bedingt. Worauf wir aber den höchsten Wert legen, ist, daß in der ganzen Dichtung Gutes und Böses nirgends mit einem falschen Maße gemessen und die christliche Moral gefälscht wird. Nirgends ist die Sünde beschönigt. In Moles erscheint der Teufel nicht, wie teilweise in Mephistopheles, als gutmütiger Humorist, sondern ganz als Teufel, in seiner ganzen Bosheit und Lügenhaftigkeit; der Unglaube und die Sünde stellen sich in dem dem Teufel verfallenen Apo nicht, wie in Faust, in tragischem Glanze, sondern in verabscheuungswürdiger Verwerflichkeit dar. Die jungfräuliche Reinheit und unschuldige Frömmigkeit fällt nicht, wie in Gretchen, als Opfer der Verführung, sondern triumphiert in Biondetta und Rosablanka über menschliche Versuchung und dämonische Nachstellung. Nicht der Sieg irdischer Liebe, sondern ihre Überwindung durch die himmlische Liebe bildet den Culminationspunkt des poetischen Interesses. Nicht wird, wie in Faust, das titanische Streben falscher Wissenschaft mit einem Glorienschein umgeben, sondern die innere Nichtigkeit und Verderblichkeit pantheistischer Philosophie und magischer Gnosis in schärfster Weise gegeißelt, dagegen Glauben und Liebe verherrlicht, und die Geheimnisse, Gnaden und heiligen Übungen des Christentums in schönstem und reinstem Lichte dargestellt.“

Mit diesem Geleitbrief mögen die Romanzen in unverkürzter Form nun auch ihren Weg in weiteste Kreise auch des katholischen Volksteils finden, nachdem die von Christian Brentano veranstaltete Ausgabe längst vergriffen, und es mir durch Benützung sämtlicher Manuskripte des Dichters und der vorhandenen Abschriften gelungen sein dürfte, die Dichtung von manchen Vorwürfen, die ihr durch Mißverständnisse gemacht wurden, zu entlasten.

Frankfurt a. Main, Oktober 1911.

Alphons M. v. Steinle.     
Empfohlene Zitierweise:
Clemens Brentano: Romanzen vom Rosenkranz. Hrsg. von Alphons Maria von Steinle. Petrus-Verlag G.m.b.H., Trier 1912, Seite IX. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brentano_Romanzen_vom_Rosenkranz_A_009.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)