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Und dort, wo die Leidenschaft auf vulkanischen Hängen des Todes blühen läßt
Orangengärten der Sehnsucht und reifen läßt Weine und feurigste Gifte

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Unter fieberhaft glühender Sonne, die niemals erlischt; und wo die Luft,

Der Alchymist, vergiftet von den Dünsten seines vergeblichen Sudes,
Tobt in Halluzinationen, – in den Dämmerungen des Geheimnisses und der Musik,
Wo der Gedanke sich nähert verbotenen Orten und im Donner der Orchester,
Im Traum verlorener Harmonien erseufzen Metalle und von den Saiten

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Wogt das strömende Lied, wie der erste Sturm der Erde über der Geister Ermattung;


Unter den Gesten der Jungfrau’n, den elektrisierenden, wo in Funken schlummern betäubende Lenze,
Die Nacht des Schicksals läutet im Fluge der Küsse, die Sterne wie Lippen erglühen,
Und das Weib, plötzlich erbleichend beim Aufruf seines verborgenen Namens, in Agonien,
Wie auf Stufen, schlüpfrig vom Blute, zu den verwunschenen Quellen des Lebens herabsteigt,

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In das Heulen der im Kreise getriebenen Jahrtausende, ins eifersüchtige Ringen unsichtbarer Wesen,

Und mit dem Aufschrei des Schreckens zurückwankt, bleich, und mit schmerzhaften Flammen der Hände
Drückt an die Brust ihre Beute: ein Leben klagend bei dieser Sonne Begegnung; – –
Im Anprall von tausend Willen, erfaßt von den Strömen deines mystischen Willens,
Ein einziger in Millionen, müht sich der Mensch, zittern unzählige Hände,

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Aus Äonen in Äonen sich in Krämpfen ausstreckend, niemals ermüdend,

Auf beiden Hemisphären der Erde … in des Träumens tragischem Triumph
Wie Hände des Kindes spielen mit Sternen sie wie mit Kleinodien,
Aber beim Aufwachen laufen sie an, werden starr, blutig vom Morde,
Blau vom Frost der Äonen und im Flug’ der Erde über Abgründen zitternd,

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Klammern sie sich verzweifelt am Grase der Erde … Wahnsinnige Hände des grimmigen Jägers

In der Hetzjagd der Elemente, vom Fluche getroffene Hände des halbnackten Sklaven
Bei den scharlach’nen Essen der Arbeit! Im Händefalten der Andacht, vom Schlage des Blitzes,
Wie Sand zusammengeschweißte Händes des Überwundenen! Und tränengewaschene,
Leuchtende, vom Glutenschimmer überfließende, von stets blutenden Stigmen der Liebe

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Gezeichnete! Magische, heilende, durch Berührung der Stirnen Gedanken der Brüder lesende,

Königliche, schenkende! In himmlisches Einwiegen einlullende!
Ätherisch gewordene wie das Licht, und zum Obste mystischer Bäume hin,
Sich verlängernde, durch des Kosmos Bereich bis ins Unendliche! – –

Und unsere Hände, eingefügt in die magische Kette Ungezählter,

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Beben im Strome verbrüderter Kraft, die sie durchflutet aus Fernen,
Empfohlene Zitierweise:
Otokar Březina: Hände. Moriz Frisch, Wien 1908, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BrezinaH%C3%A4nde26.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)