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kleines Blatt Papier und drückte darauf das Pettschaft. Die Briefe wurden also „zugestochen.“ Sollten mehrere zusammen befördert werden, so wurden sie „beigebunden.“ Beide Ausdrücke kommen in den Briefen vor.

Unter den Personen, welche die Briefe geschrieben haben, ist zuerst die Ehefrau, Catharina, zu nennen. Sie schreibt an ihren „alder levesten Mattes,“ unterzeichnet sich Catharina Mulich j. a. l. f., d. h. juwe aller leveste fru, und es spricht sich in ihren Briefen eine rührende und liebenswürdige Zärtlichkeit aus, verbunden mit weiblicher Sorge für Schmuck, Kleidung und Speisekammer. Die rein menschlichen Verhältnisse sind zu allen Zeiten dieselben. Sie schreibt über persönliche Verhältnisse ohne Rücksicht auf die Politik, außer wo diese ihre häuslichen Verhältnisse berührt. Das war freilich der Fall. Wir erfahren aus ihren Briefen, daß der Rath, um die Ausrüstung der Schiffe zu bezahlen, eine außerordentliche Steuer erhob; so ist es zu verstehen, wenn sie schreibt, daß sie Geld habe „in die Kiste“ bringen müssen. Wir sehen ferner, daß der Rath auch die Schiffe der Kaufleute für kriegerische Zwecke benutzte, sogar, wie es scheint, in Nothfällen, ohne dafür zu bezahlen. Der Zweite, der schreibt, ist Mulich’s Handlungsdiener, Matthias Scharpenberg. Seine Briefe betreffen zunächst Geschäfte. Es waren 50 Sch. ßl. Kupfer an Heinrich Kerckrinck verkauft, die aber die Oldesloer Mühle nur nach und nach liefern konnte. Außerdem hat er viel zu thun, um die Gelder wieder einzufordern, die Mulich den Fürsten und den holsteinischen Adeligen geliehen hatte. Aber das gelang ihm sehr wenig, die Herren waren sämmtlich schlechte Zahler, die Briefe sind voll von Klagen darüber. Er meldet auch die Nachrichten, die er über die Kriegsereignisse erfahren hat, und zugleich Stadtneuigkeiten, namentlich Verlobungen, und zwar nicht blos die wirklich geschehenen, sondern auch solche, die nur vermuthet wurden. Außer seinem Handlungsdiener hatte Mulich noch, wahrscheinlich nur für die Zeit seiner Abwesenheit, einen Factor, d. h. einen Agenten oder Bevollmächtigten, Hans Castorp, der ihm ebenfalls häufig Berichte sendete. Er war ein naher Verwandter der Catharina Mulich, entweder ihr Mutterbruder oder ihr Mutterbrudersohn; dem Namen nach kann er sowohl das Eine als das Andere gewesen sein. Ferner schreibt ein anderer Verwandter, der eben genannte Heinrich Kerckrinck, ein leiblicher Vetter der Catharina Mulich, da seine Mutter ebenfalls eine Tochter des Bürgermeisters Castorp war, Mitglied der Junker-Compagnie, der über die Fastnachtslustbarkeiten dieser Compagnie einige höchst interessante Aufschlüsse


Empfohlene Zitierweise:
Carl Friedrich Wehrmann (Hrsg.): Briefe an Matthias Mulich, geschrieben im Jahre 1523. In: ZVLGA 2, 1867, S. 296–347. Friedrich Asschenfeldt, Lübeck 1867, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefe_an_Matthias_Mulich.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)