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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

in Lübeck zu tun, aber den zu ihnen gehörenden Vater vermag ich unter den sonst bekannten Veckinchusens nicht herauszufinden. Vielleicht waren es Nachkommen des Thomas Veckinchusen. Auch die Testamente, das eine von Engelbrecht Veckinchusen aus dem Jahre 1434[1], das andere von Hildebrand Veckinchusen[2], lassen sich zur Aufklärung der Verwandtschaftsverhältnisse nicht benutzen. Zeitweilig scheinen auf diese Weise vier Hildebrand Veckinchusens nebeneinander gelebt zu haben. Der älteste ist der 1395 bei der Erbschaftsteilung genannte Hildebrand (I), von dem die Briefe und Bücher herrühren, der zweite ist sein Sohn (II), der dritte (III) sein Neffe, ein Sohn des Sivert Veckinchusen und der vierte (IV) derjenige, der mit seinen Brüdern Georg, Adolf und Engelbrecht 1434 und 1436 eine Erbschaft teilt. Damals war indes der älteste Hildebrand nicht mehr am Leben, so daß die obige Bemerkung eine Einschränkung erfahren muß.

Die Familie Veckinchusen hat hiernach eine weitverzweigte Gruppe von Kaufleuten gebildet, deren auf Blutsbande gegründete Verbindungen sich von Lübeck aus weit nach Osten und Westen erstreckt haben. In Dorpat, Riga, Reval, Brügge, Gent, Köln und noch an manchem anderen Ort hat das Geschlecht zeitweilig oder dauernd seine Vertreter und der Kaufmann seine Geschäftsfreunde. Alle stehen sie miteinander in Verbindung, gedenken in ihren letztwilligen Verfügungen einander, treiben auf gemeinsame Rechnung und Gefahr den Handel, in der Hauptsache, wie es den Anschein hat, mit gutem Erfolge. Die Testamente Siverts und Engelbrechts belegen eine nicht zu leugnende Wohlhabenheit, die doch wohl aus dem Betriebe des Handels herrührt. Und nicht nur tüchtige Kaufleute gingen aus dieser Familie hervor, einzelne ihrer Vertreter gehen in den geistlichen Stand über, gereichen diesem zur Zierde, ohne doch es in ihm zu besonders hervorragenden Stellungen zu bringen. Einzelne erlangen unter ihren Berufsgenossen besonderes Ansehen. Gern hört man auf ihren weisen Spruch. Sie werden Älterleute der deutschen Hanse, Mitglieder des Rats, selbst Bürgermeister in ihren Wohnsitzen. Mag auch keiner von ihnen eine hervorragend politische Rolle im Schicksal der betreffenden Stadt oder Körperschaft gespielt haben, keiner von ihnen zu den Gefeierten gehört haben, deren Name lange nach ihrem Hinscheiden mit Staunen und Bewunderung genannt wird, überall tritt uns doch eine ehrenfest bürgerliche Familie entgegen, die in redlichem Bemühen sich ihren Lebensunterhalt erwirbt, die dem Handel mit Vorliebe und Geschick obliegt, die indes über dem Sinnen und Trachten nach Erwerb die Ausübung ihrer Bürgerpflichten nicht vergißt. Es wird Zufall sein, daß von einem der zu dieser Familie Gehörenden, dem ältesten Hildebrand sich Handlungsbücher und ein Teil seines Briefwechsels erhalten haben. Man hat alle Ursache diesem Zufall dankbar zu sein, da er uns viele Einblicke in für gewöhnlich verschlossen bleibende Verhältnisse gewährt.


  1. nr. 416.
  2. nr. 424.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XIV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XIV.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)