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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

Trifft die gemachte Voraussetzung zu, so hat doch im übrigen jede Beförderung eines Briefes unter besonderen Verhältnissen gestanden, ist von der Jahreszeit, der Witterung, der benutzten Gelegenheit, kurz von besonderen Umständen abhängig, die jedes Mal wechselten. Nicht einmal das läßt sich mit Sicherheit bestimmen, ob der Landweg oder der Seeweg eingeschlagen wurde. Wenn ein Brief im Jahre 1404 77 Tage brauchte, um von Riga nach Brügge zu gelangen, so war er wohl zu Lande befördert worden. Aber auch die Frühjahrs- und Sommerbriefe zwischen beiden Städten in den Jahren 1415 und 1416 brauchten 38—52 Tage zu ihrer Ankunft. Zwischen den Hansestädten und den livländischen Städten war der Verkehr doch nicht in dem gleichen Maße auf die Probe gestellt. Als Margarete Veckinchusen ihren Sohn Hanseken im Jahre 1424 nach Reval reisen läßt, kommt der Junge in 6 Tagen wohlbehalten an das Ziel der Reise[1]. Wunderlich ist die Langsamkeit der Beförderung zwischen Köln und Brügge, die doch räumlich nicht so weit auseinanderlagen. Der Normalfall scheint für diese 6—8 Tage gewesen zu sein. Ungewöhnliche Verzögerungen zeigten sich wohl, wenn der Brief 15—17 Tage brauchte, um anzukommen. Und es dürfte eine Rekordleistung zu verzeichnen sein, falls wirklich der Brief in 3 Tagen von Köln nach Brügge gelangte.

Für das Bestehen einer regelmäßigen offiziellen postalischen Verbindung bieten die Briefe keinen Anhaltspunkt. Botenordnungen einzelner deutscher Städte haben sich wohl frühestens aus dem 15. Jahrhundert erhalten. Von Lübeck ist eine solche überhaupt nicht bekannt. Der Verkehr wurde unterhalten durch die Läufer oder Boten, die ich mir als Privatpersonen vorstelle, von denen bekannt war, daß sie sich den Kaufleuten zur Verfügung hielten. Auf sie griff der Kaufmann zurück. Vielleicht hielten sie jedoch schon bestimmte Abgangstage ein, obwohl davon keinmal in den Schreiben die Rede ist. Die Namen einzelner dieser Boten: Unruhe, der Läufer oder Hund, der Läufer, sind bezeichnend für den Beruf, den die wahrscheinlich meist jüngeren Leute gewählt hatten. Ich nehme an, daß sie durchweg beritten waren, niemals die Wege zu Fuß zurücklegten. Bei Seereisen übernahm der Schiffer die Beförderung der Schreiben und da mochte dann manchesmal eine Kombination Platz greifen, indem der Schiffer, falls er nicht im Hafen der Bestimmung der Briefe selbst landete, diese einem Boten zur weiteren Beförderung übergab. Sonst wird er natürlich dem Kaufmann, für den er etwa eine Ladung oder ein Frachtstück mitbrachte, bei der Ladung auch seine Briefe direkt ausgehändigt haben.

3. Hildebrand Veckinchusen.

Bei seinem erstmaligen Auftreten erscheint Hildebrand Veckinchusen als Kaufmann, der sich gleich seinen Berufsgenossen den vorschriftsmäßigen Einkauf seiner Ware auf dem Stapel zu Dordrecht bescheinigen läßt. Er hat zwölf Bote Wein gekauft, vermutlich französischen oder spanischen, den er dem Schiffer Gobel Rosing anvertraut, der vermutlich ihn nach

  1. nr. 381.
Empfohlene Zitierweise:
: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XIX.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)