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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

„uns to vrentschoppen don in unsen noden, alsolde ick van hunger sterven unde du darmyt unsen, sey solden uns nicht vel doget doen“. Wodurch dann schließlich die Befreiung bewirkt wurde, geht aus den Briefen ebenfalls nicht hervor. Man kann nur glauben, daß die Gläubiger sich von der Uneintreibbarkeit ihrer Forderungen schließlich überzeugt haben werden und ihn dann laufen ließen, in der sicheren Erwartung, daß er, dem freien Leben und seiner Tätigkeit zurückgegeben, eher in die Lage kommen würde, seinen Verpflichtungen zu genügen. Die Verwendungsschreiben aus Lübeck, die schon auf das Jahr 1422 zurückführen, sind offenbar ohne Wirkung geblieben.

Lange hat Hildebrand sich der wiedergewonnenen Freiheit nicht mehr erfreut. Als ein gebrochener Mann verließ er das Gefängnis, in das er ohne unmittelbare Schuld gekommen war. Die Rechenschaftsablegung des Engelbrecht Veckinchusen vom 2. Februar 1428 spricht von ihm als einem Gestorbenen[1]. Ob er Lübeck noch erreicht hat, ob er auf der Reise unterging, ob sein durch die lange Haft geschwächter Körper den Anstrengungen ferneren Lebens nicht mehr gewachsen war, wir wissen es nicht und können darüber keine Klarheit verschaffen.

Engelbrecht hatte für ihn während der Haft im ganzen den Betrag von 53 Pfund 18 sl. 6 gr. ausgelegt, aber nur etwas mehr als die Hälfte, im ganzen 36 Pfund wieder erhalten. Ein Teil des Betrags hatte dadurch aufgebracht werden können, daß Hildebrands Kleider verkauft werden konnten, die nur leider, weil sie schlecht aufbewahrt, gelitten hatten und verdorben waren, nicht viel mehr einbrachten. Den Rest zu tilgen bittet Engelbrecht den Vetter Sivert. Er solle die Schwägerin dazu anhalten, daß sie ihm die Schuld berichtige. Ob die schwer geprüfte Frau dazu in der Lage gewesen ist, entzieht sich unserer Kenntnis.

Über die Schicksale der Nachkommenschaft Hildebrands verlautet nichts. Inwieweit die noch mitgeteilten testamentarischen Nachrichten herangezogen werden können, wurde schon eingangs hervorgehoben. Frau Margarethe Veckinchusen lebte im Jahre 1433 noch. Ihre pekuniären Verhältnisse scheinen nicht befriedigende gewesen zu sein. Immer noch beschäftigten jene hundert Mark ihrer Morgengabe, die angeblich nie entrichtet worden waren, die Gemüter. Sie scheint den Bruder um die Berichtigung der Summe gebeten zu haben, der dann hoch und teuer erklärte, daß er nicht in der Lage sei, etwas herzugeben, und außerdem die Angelegenheit längst geregelt wäre[2].

Es ist die Lebensgeschichte eines gewöhnlichen Kaufmanns, die wir an der Hand seiner Briefe verfolgen konnten, nicht die einer geschichtlichen Persönlichkeit. Und doch verleiht die lange Schuldgefangenschaft seinem Schicksal einen über das Alltägliche hinausgreifenden Anstrich, einen beinahe tragischen Charakter. Der ganze Zuschnitt seiner Person ist ein größerer als man ihn bei Alltagsmenschen erwartet. Er wollte höher hinaus als andere, er strebte weiter und blickte schärfer als seine Umgebung.

  1. nr. 414.
  2. nr. 415.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XLI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XLI.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)