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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

sollte, ist in der Schuldverschreibung nicht genannt. Die Ausdehnung seiner Geschäfte nötigt ihn dabei, sich nach fremdem Leihkapital umzusehen. Seinen Geschäftsfreund in Riga beauftragte er, dort für ihn 300 bis 400 Mark „up rente“ aufzunehmen, d. h. zu leihen. Leider war aber in Livland die Zeit ungünstig und der Geldmarkt nicht flüssig. „Dat gelt is hyr binnen einem jare so leyf geworden und dure, dat du des nicht enloves“, mußte ihm der Rigenser antworten.

Der Mangel an barer Münze hat gewiß dabei mitgewirkt, wenn der Verkauf der Waren nur zu oft auf Borg erfolgte, wobei nicht selten auffallend lange Termine zugestanden wurden. Anfang Dezember 1409 in Lübeck verkaufte zwei Terlinge Tuch sollen in drei Terminen bezahlt werden: zu Weihnachten des laufenden Jahres, zu Fastnacht des folgenden (8. Februar 1410) und zu Pfingsten (am 11. Mai)[1]. Um ähnlich ausgedehnte Termine handelt es sich bei dem Feigengeschäft in den Jahren 1420—25, bei dem 17 Personen angeführt werden, die zusammen 50 Körbe Feigen schuldig geblieben waren, aber mittlerweile verstorben oder verarmt waren[2]. Für Tuche, Reis und Kümmel, die an einen Kaufmann in Stockholm verkauft worden waren, hatte das Geld zu Michaelis, spätestens zu Martini 1407 in den Händen Gerwin Marschedes sein sollen, war jedoch bis zum 17. Dezember noch nicht an ihn gelangt[3]. Auf der Fastnachts-Messe in Frankfurt a. M. 1412 klagt Sivert, daß er das ihm aus Brügge zugesandte Brasilienholz zum geringsten Teile gegen bares Geld absetzen könne[4]. Von einer Messe wurde meist bis zur anderen kreditiert, sehr oft an Leute, die ihren Wohnsitz außerhalb des Meßortes hatten und deren Wiedererscheinen zu dem neuen Termine mitunter Zweifeln begegnen mochte. Im Oktober 1417 berichtet Sivert seinem Bruder, daß er zweitausend Schönwerk bis zur nächsten Fasten-Messe auf Borg abgegeben hätte[5]. Unser Kaufmann war von sich aus selbstverständlich nicht in der Lage hierin Wandel zu schaffen. Daß indes in solchem ungebührlich ausgedehnten Geschäftskredit etwas Ungesundes lag und man sich vor der Kreditgewährung tunlichst hüten mußte, hatte er richtig erkannt. Seinem Bruder Hildebrand schreibt er „wand ic wet wol, dat an den borchgude neyn wynnyge kan wesen und dey borch nemet dey bate eynwech“[6]. Gleichwohl vermochte er die gefährliche Klippe nicht immer selbst zu umschiffen, sondern mußte sich seines Kredits ebenfalls bedienen. Im Lübecker Niederstadtbuch kommt er in den Jahren 1401—1409 mehrfach als Schuldner vor und meist mit größeren Beträgen. Nur einmal zeichnet er allein als Schuldner. Gewöhnlich ist er Mitglied einer Gesellschaft von 2 oder 3 Kaufleuten, die die Schuld auf sich nimmt. Auf seine Vermögensverhältnisse braucht daraus kein ungünstiger Schluß gezogen zu werden. Denn er erscheint auch als der bereitwillig vorschießende Kapitalist, wie im Juni 1407 gegenüber den zur Tagfahrt nach Lübeck gekommenen livländischen Sendeboten[7].

Von Unglücksfällen, wie sie den Kaufmann gelegentlich heimsuchen, bleibt Sivert Veckinchusen nicht verschont. Doch haben diese seine Stellung

  1. nr. 23.
  2. nr. 396.
  3. nr. 177 S. 203.
  4. nr. 84.
  5. nr. 191.
  6. nr. 195 S. 219.
  7. H. R. I. Abt. 5 nr. 406.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XLV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XLV.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)