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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

in der Handelswelt nicht erschüttert. Er hatte im Jahre 1401 das Unglück, eines der von ihm und anderen Lübeckern beladenen Schiffe bei Bornholm scheitern zu sehen. Der Rat von Lübeck verwandte sich behufs Wiedererlangung der dabei geborgenen Güter für ihn beim Erzbischof von Lund[1]. Ein ähnliches Mißgeschick traf ihn einige Jahre später[WS 1] 1405[2]. Indes hat er diese materiellen Verluste sehr bald verschmerzt. Alles, was über ihn ermittelt werden kann, zeigt ihn in der behaglichen Stellung eines reichen und angesehenen Kaufmanns. Er wird in manchen Vertrauensstellungen angetroffen, wie sie nur dem zuteil zu werden pflegen, der über den Durchschnitt seiner Mitbürger hinausragt. Er wird genannt als Zeuge bei größeren Zahlungen eines Bischofs an die römische Kurie zu Händen des päpstlichen Gesandten[3]. Er erscheint als Testamentsvollstrecker in einem, als Vormund in einem anderen Falle[4]. Er gehört in Lübeck zu den 16 Bürgern, die die Finanzverwaltung der Stadt überwachen sollen[5]. Er ist endlich Mitglied der vornehmen Zirkelgesellschaft, aus der das Lübische Patriziat hervorging[6].

Deutet dies alles auf einen Mann, der in der Einwohnerschaft erfreuliches Ansehen genoß, so zeigt sein Testament, das er schon 1406, lange vor seinem Tode aufsetzen ließ[7], die erfreulichen[WS 2] Erfolge seiner beruflichen Arbeit. Nach dieser letztwilligen Verfügung, in der er außer seiner Frau und seinen Kindern verschiedene Verwandte und Freunde sowie die sämtlichen Kirchen und Klöster Lübecks und Dorpats bedachte, war er im Besitze eines beträchtlichen Vermögens. Dieses bestand zum Teil in barem Gelde, zum Teil in Renten, die er vom Rate und aus Privathäusern bezog. Rechnet man dazu sein Silbergeschirr, sein Hausgerät und den Wert des von ihm bewohnten Hauses, über welche Teile seiner Hinterlassenschaft keine Wertangaben vorliegen, obwohl sie im Testamente genannt sind, so wird man nicht umhin können, von der Behäbigkeit seiner Lage eine günstige Vorstellung zu gewinnen.

Doch es war unserem Kaufmanne nicht beschieden, in einer solchen bis an sein Lebensende ungestört zu beharren. Jahre tiefen Elendes, wenn auch vielleicht nicht so sehr in materieller Beziehung, die er im Exil zubringen mußte, brachen über ihn herein. Die Ursache dieses zeitweilig ihn schwer drückenden Unglücks war der Lübecker Aufstand in den Jahren 1408—16. Nach dem Vorgange anderer deutschen Städte begann es in Lübeck zum Beginn des 15. Jahrhunderts unter den Einwohnern zu gären. Bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts treten, namentlich in Süddeutschland, die Zunftrevolutionen auf: die Versuche der Handwerker, eine Beteiligung an der Stadtverwaltung zu erringen. Man war mit der aristokratischen Geschäftsführung durch die Geschlechter unzufrieden, fühlte sich durch harten Steuerdruck beeinträchtigt, glaubte an Verschleuderung der städtischen Geldmittel. Durch Mord und Totschlag suchte man sich des verhaßten Rates zu entledigen und[WS 3] in der Verfassung

  1. U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 34.
  2. U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 127.
  3. U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 131.
  4. U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 134.
  5. U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 684.
  6. U. B. d. St. Lübeck 5 nr. 250.
  7. nr. 9.
  1. Vorlage: sp ter
  2. Vorlage: e freulichen
  3. Vorlage: uud
Empfohlene Zitierweise:
: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XLVI.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)