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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

Läufern, die von Brügge nach Venedig reisen, soll er Nachrichten mitschicken „van crude und wercke und van allerleye kopenscap und van allerleye nye tydynge und gude“. Dem Peter Karbow, der Teilhaber an der venetianischen Handelsgesellschaft war, sei es ein „grot ere, dat hey ummer by allen lopern breyve hedde lyk andern luden“[1]. So verlangt er später von seinem Sohne Kornelius, der zeitweilig in Venedig in Geschäftsangelegenheiten anwesend ist, daß er häufig von dort Bescheid erteile[2].

Stilistisch sind alle Schreiben auf den gleichen Ton gestimmt. Sie beginnen mit freundlichen Grüßen an den Empfänger und der Bereitwilligkeit der Erklärung ihm zu Diensten sein zu wollen und sie schließen mit Grüßen an Verwandte und Freunde, indem sie den Empfänger der Gnade Gottes empfehlen, ihm gute Gesundheit wünschen. Es hat demnach ein vollständiges Schema der anzuwendenden Höflichkeit gegeben, das gewissenhaft eingehalten werden mußte. Die Sprache ist in fast allen das Niederdeutsche, das Idiom der Ostseeküste oder das rheinische Platt, wie in den Briefen Noiltgins aus Köln. Einzelne Briefe, so die des Jakob Schottelers sind holländisch niedergeschrieben. Die Frage, ob die Kaufleute selbst des Schreibens und Lesens kundig waren, also die Briefschreiber ihre Anliegen selbst zu Papier gebracht haben, nicht etwa diktierten, glaube ich bejahen zu sollen. Bei Männern wie Hildebrand und Sivert Veckinchusen versteht es sich ja von selbst, daß sie der Elementarkenntnisse nicht entbehrten. Doch auch die Mehrzahl der anderen Briefsteller wird sich wohl auf ihre eigene Hand verlassen haben. Wenn Kornelius von seinem Vetter Jost dem Vater Hildebrand schreibt, daß er keinen Brief lesen könne[3], so spricht sich darin doch wohl das Erstaunen über den Mangel der sonst allgemein verbreiteten Kenntnis bei Geschäftsleuten seines Schlages aus. Anders verhält es sich mit der Kenntnis des Schreibwerks bei den weiblichen Personen. Sie scheinen die schwierige Kunst des Schreibens nicht beherrscht zu haben oder nur in geringerem Umfange als die Männer. Margarete Veckinchusen spricht es einmal ihrem Manne gegenüber unverhohlen aus, als er ihr über ihr längeres Stillschweigen Vorwürfe zu machen geneigt ist[4]. Lesen war wohl einfacher, obgleich selbst hier, wenn auch die Briefe von berufsmäßigen Schreibern herrührten, mitunter rechte Schwierigkeiten bei geringer Lesbarkeit zu überwinden waren.

Indes schuf die neuere Zeit hierin einen Wandel. Denn Hildebrands Tochter Gertrud beherrschte die Kunst des Schreibens. Sie war es, die ihrer Mutter im Briefwechsel mit dem Vater helfen konnte. Als sie einmal Gäste im Hause hatte und der Mutter nicht zu Diensten sein konnte, mußte diese sich in ihrer Verlegenheit an Tideman Brekelvelde wenden, der dann nach Brügge die erwarteten Nachrichten sandte[5]. Das Schreiben der Frau Gertrud Moyelik an ihren Vater, als dieser schon im Gefängnis schmachtete, in dem sie sich liebevoll nach seinen Wünschen erkundigt, ist demnach ihrer eigenen Schreibfertigkeit zu danken[6].

  1. nr. 22. Genaueres darüber in den Hansisch-venetianischen Handelsbeziehungen S. 62ffg.
  2. nr. 184.
  3. nr. 413.
  4. nr. 385, 393.
  5. nr. 384.
  6. nr. 273.
Empfohlene Zitierweise:
: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XVII.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)