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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

hohe Schule für jüngere Kaufleute. Die Deutschen hielten sich hier meist nur wenige Jahre auf, um die Kommissionsaufträge ihrer Prinzipale in den Hansestädten zu vollziehen, Hildebrand dagegen zeigt uns den selbständig disponierenden Großkaufmann, der eine Reihe weitreichender Handelsunternehmungen — nach damaliger Sitte stets in Verbindung mit anderen — eingeht. Er bewohnt ein ganzes Haus, das er im Jahre 1402 von einem Bürger Brügges zunächst auf 5 Jahre gegen einen Mietzins von 4 Pfund Groten, halbjährlich zu zahlen, mietet. In ihm hat er sein Kontor, seine Wohnkammern und seinen Warenkeller. Nicht ohne Grund wird Brügge zum dauernden Aufenthaltsorte gewählt worden sein. Brügge war damals der allgemein besuchteste Marktplatz von ganz Europa und die vornehmste Niederlage der Hansen im Westen. Hierher brachten sie die Erzeugnisse des Nordens und Ostens und erhielten im Austausch diejenigen Gegenstände wieder, deren sie zur Beherrschung des Nordens und Ostens bedurften[1]. Einen solchen Handel konnte einer allein, auch wenn er sich besoldeter Hilfskräfte bediente, kaum betreiben. Selbst in eigener Person an entferntesten Orten Waren einzukaufen, sie auf weite Strecken hin zu begleiten und an den Bestimmungsort zu lenken, an dem man sich mit neuen Waren belud, um nunmehr den Rückweg mit ähnlichen Gewinnhoffnungen anzutreten, konnte ausnahmsweise vorkommen. Für gewöhnlich war solches Vorgehen untunlich, und schloß sich eine baldige Wiederholung einer einmal ausgeführten Reise aus. Es gab ja in der Regel nicht einen einzigen Absatzort für die Ware. Hildebrand Veckinchusen sendet z. B. seinen Stockfisch nach Köln und als er dort nicht genügenden Absatz findet, ihn weiter nach Straßburg, Speier und Mainz[2]. Feigen, die in Hamburg nicht recht von der Hand wollten, werden nach Lüneburg und Lübeck geschickt. Ähnlich in anderen Fällen. Wäre es in solchen Wendungen Zeitverlust gewesen, überallhin wie ein Hausierer seine Ware zu begleiten so war es noch weniger möglich, wenn es sich um eine Wachssendung von Dorpat oder eine Pelzwerksendung nach Venedig handelte. Die Einbusse an Zeit und das geschäftliche Risiko wären zu bedeutend gewesen. Daher geht aller Handel in Gesellschaften (selschop) vor sich. Mehrere Kaufleute, die ihren Wohnsitz in verschiedenen Städten oder Ländern dauernd haben oder ihn jeweilig nehmen, tun sich zusammen und unternehmen das betreffende Geschäft gemeinschaftlich. Während der eine die Verpackung, Versendung usw. der Ware etwa in Riga in die Hand nimmt, besorgt der andere den Verkauf der glücklich eintreffenden Gegenstände in Lübeck oder Brügge und ersteht dafür andere Waren, die er wieder gen Riga sendet, worauf dann dem ersten die Rolle des Verkäufers zufällt. Wenn bestimmte Warenmengen oder der gesamte Vorrat abgesetzt ist, wird Rechenschaft gehalten, der Gewinn in barem Gelde ausgezahlt oder zu neuen Unternehmungen

  1. Rudolf Häpke, Brügges Entwicklung zum mittelalterlichen Weltmarkt, 1908 und die dort auf den Seiten XIII—XX dankenswert zusammengestellten reichen Literaturnachweise.
  2. nr. 199, 202.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XXV.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)