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Wilhelm Stieda (Hrsg.): Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen

benutzt. Im ersteren Falle folgen schon damals die Wechsel oder Anweisungen zur Begleichung der Verbindlichkeiten hin und her[1].

Für Abwicklung derartiger Geschäfte war nicht nur Brügge ein sehr geeigneter Ort, sondern offenbar Hildebrand Veckinchusen auch eine sehr geeignete Persönlichkeit. Seine verwandtschaftlichen Beziehungen erleichterten ihm die Durchführung der erwähnten Geschäfte in hohem Maße. In Riga lebten ihm der Schwiegervater, ein Schwager und sein Bruder, in Dorpat ebenfalls ein Schwager, in Lübeck und abwechselnd in Köln ein Bruder. Zwei seiner Neffen dienten ihm zu zeitweiligen Fahrten nach Venedig und Livland. Vielleicht war es gerade die kaufmännisch vorsorgliche und berechnende Art des Bruders Sivert, die ihn in Brügge festhielt. Denn natürlich konnte unter Brüdern manches Geschäft bequemer sich abspielen als unter einander ferner stehenden Geschäftsfreunden, die jeder ihren eigenen Vorteil suchten. Später beschuldigt Hildebrand, als es ihm schlecht geht, seinen Bruder mehrfach, ihn zu den betreffenden Unternehmungen angeregt zu haben, was freilich jener nie wahr haben wollte.

An Hilfspersonen standen Hildebrand einerseits Läufer, Fuhrleute, Schiffer, andererseits jüngere Männer als Handlungsdiener oder ‑knechte zur Verfügung. Von den Läufern war schon bei Erörterung der Briefe die Rede. Kamen sie für die Vermittlung von Nachrichten in Frage, so die anderen für die Beförderung der Waren. Kärrner, Fuhrleute, Schiffer sind in den Briefen oft genannte Persönlichkeiten. Die Handlungsgehilfen, für die eine besondere Bezeichnung noch nicht üblich gewesen zu sein scheint, begleiteten seine Waren von Brügge aus nach Köln, Mainz, Koblenz usw. Sie standen teils in einem festen Verhältnis zu ihm oder der Gesellschaft oder wurden wohl für jedes Geschäft eigens angestellt. Einmal ist in den Briefen[2] von einer Art Lehrlingsverhältnis die Rede, aus dem etwa auf die sonst übliche Sitte geschlossen werden könnte. Sivert und Hildebrand Veckinchusen nehmen einen jungen Mann, namens Sasse, in ihre Gesellschaft auf unter folgenden Bedingungen: Hildebrand verabfolgt ihm freien Unterhalt zwei Jahre lang, wogegen Sasse sich verpflichtet, 5 Jahre lang bei den Brüdern zu bleiben und gleichfalls Geld zu ihren Unternehmungen einzuschießen. Außer an ihrer Unternehmung darf er an keiner anderen beteiligt sein. Gefiel der junge Mann ihnen auf die Dauer nicht, so stand es ihnen zu, ihn zu entlassen. Im übrigen versprechen sie ihm alles Gute, und stellen ihm in Aussicht, ihn mit der Zeit zum „Gesellen“ machen zu wollen, damit er teils in Lübeck teils in Frankfurt sein oder zur See ausziehen könnte um zu „vordreven unse dync“. Hiernach wären die Handlungsgehilfen dazu verwandt worden, Warensendungen vom Sitze des Handelsgeschäfts in fremde Städte oder Länder, sogar über See zu begleiten. Ob bei dem leicht mangelnden Interesse des Sendlings und bei den höheren Unterhaltskosten dieser Ausweg allgemein üblich war, muß dahingestellt bleiben. Wenn einmal

  1. K. Lehmann, Altnordische u. hanseatische Handelsgesellschaften in Ztsch. d. ges. Hndlsr. 62 (1908) S. 289. — Fr. Keutgen, Hansische Handelsgesellschaften in Viertelj. f. Soz. u. Wirtschaftsgesch. 4 (1906) S. 278. — W. Stieda, Hans.-Venetianische Handelsbez. S. 37—61. — P. Rehm in Ztschr. f. d. Hdlsrecht 42 S. 367ffg.
  2. nr. 201.
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: Briefwechsel Hildebrand Veckinchusen. Leipzig: S. Hirzel, 1921, Seite XXVI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Briefwechsel_Hildebrand_Veckinchusen_XXVI.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)