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Je mehr sich der Ideenkreis eines Volkes erweitert, je reicher die selbst geschaffene Außenwelt wird, je mehr der Geist sich zum Denken erhebt und die Begriffswelt zum Ausdruck kommt, je näher tritt das Bedürfniß an den Menschen, für diese erweiterte Welt, in gleichem Schritt mit der nothwendig erweiterten Fülle von Wörtern, eine umfassende Schrift zu bilden, eine Schrift, die sich dem Ausdruck des Wortes und des Gedankens in gleicher Weise leiht. Die alten Bilder reichen nicht mehr aus, eine Masse neuer Zeichen wird geschaffen, welche geeignet sind Sinnliches und Uebersinnliches nach Uebereinkunft auszudrücken. Der Kreis der Eingeweihten ist noch klein; es genügt nicht mehr, die bekannten Bilder zu erkennen, die noch unbekannten müssen erlernt werden. Die umfangreiche Schrift wird bereits ein Studium. Jedes Bild hat seine besondere Aussprache, die Bilder folgen aufeinander wie die Worte in dem gesprochenen Satze. Die Sprache wird das nothwendige Substrat der Schrift. Die Schrift der Chinesen und der mexikanischen Azteken, in älteren durch kein Schriftdenkmal vertretenen Epochen auch die Schrift der Aegypter und der Assyrer gehören hierher.
Eine solche Schrift läßt sich also nicht mehr errathen, denn die größere Masse von Bildern hat einen conventionellen Werth erhalten. Zu ihrer Entzifferung ist die Kenntniß der Bedeutung eines jeden Zeichens nöthig, im äußersten Falle selbst ohne Kenntniß der Aussprache des Wortes in der betreffenden Sprache. Diese Schrift bedarf mithin eines Schlüssels, der die Thür zu ihrem Verständniß öffnet. Ohne diesen Schlüssel (wie es z. B. thatsächlich bei der Schrift der Azteken der Fall) ist und bleibt sie ein ewiges, nicht zu enträthselndes Geheimniß. Aber diese Schrift, bei allem Scharfsinn in Betreff der Wahl und Bestimmung der einzelnen Zeichen, wäre nicht
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Heinrich Brugsch: Ueber Bildung und Entwicklung der Schrift. C. G. Lüderitz’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1868, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brugsch_Bildung_Entwicklung_Schrift_1868.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)