Zum Inhalt springen

Seite:Brugsch Bildung Entwicklung Schrift 1868.pdf/9

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
7


Schriftzüge aus den historischen Zeiten, mit deren Entzifferung sich der moderne Forscher vorläufig noch abmüht.

Nachahmung und Eingrabung des Gesehenen, die Fixirung des Bildes in seinen Umrissen, das sind die Urelemente aller Schrift. Die Schrift ist Malerei, die Malerei ist Schrift, denn der Grundgedanke beider ist derselbe: Erhaltung der Erinnerung an das Gesehene durch sichtbare Zeichen. Selbst in den Sprachen der verschiedenen Völker hat sich diese Anschauung oftmals deutlich erhalten, weil die Bezeichnungen für Malen und Schreiben darin mehrfach dieselben sind. Ja metaphorisch hat sich das Malen in den modernen Sprachen zum Ausdruck der getreuen Darstellung in dem schriftlichen Ausdruck erhalten. Am häufigsten jedoch ist die Bezeichnung für Schreiben und Schrift der uralten Vorstellung vom Einkratzen entlehnt, wie z. B. im deutschen schreiben verwandt mit schraben, schrapen, schraffiren, holländisch schryven, schwedisch skrifva, dänisch skrive, isländisch skrifa, lateinisch scrib-ere, griechisch graph-ein, hebräisch saphar, altägyptisch chet u. s. w., welchen zum Theil auch wurzelhaft verwandten Benennungen insgesammt die Urbedeutung des Eingrabens, Einkratzens zu Grunde liegt.

Mit dem Eingraben des Bildes hatte der Mensch den ersten Schritt zur Schrift gethan. Wollen wir die nächste Stufe der Fortentwickelung kennen lernen, so müssen wir die Eingeborenen Amerikas aufsuchen, welche, auf der niedrigsten Culturstufe stehend, am nächsten verwandt dem Urmenschen der vorhistorischen Zeit, mit dem Namen der Wilden bezeichnet zu werden pflegen.

Auch die Schrift der Rothhaut ist Malerei, aber bereits vervollkommnet nach zwei Seiten hin; äußerlich durch die Zuthat der Farbe, welche geeignet ist, dem Bilde in vielen Fällen eine größere Leichtigkeit des Erkennens zu gewähren,

(549)
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Brugsch: Ueber Bildung und Entwicklung der Schrift. C. G. Lüderitz’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1868, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Brugsch_Bildung_Entwicklung_Schrift_1868.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)