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Nach der Auffassung Maxwells war der Äther der große Vermittler und Träger aller elektromagnetischen Erscheinungen und an dieses Bild knüpfen sich die glänzendsten Entdeckungen der Neuzeit. Bei dem weiteren Ausbau der Theorie lehnten sich die Physiker immer wieder an dieses Bild an, besonders auch in ihrer Anwendung auf die Elektrodynamik bewegter Körper. Bei der Behandlung dieses wichtigen Problems trat die Frage, ob der Äther sich mit der Materie bewegt oder nicht, in den Vordergrund. In dieser Fragestellung dokumentiert sich ein Dualismus von Äther und Materie. Dem Äther wird die Rolle einer Quasimaterie zuerteilt.

Auf der Grundlage des ruhenden Äthers baute Lorentz seine ältere Elektronentheorie auf. In diesem Werke vollzieht sich bereits eine Abschwenkung von der Hauptidee Maxwells, indem den aus Elementarquanten zusammengesetzten Ladungen, die bei Maxwell lediglich singuläre Stellen in der Verteilung des elektrischen Vektors darstellen, bei den elektromagnetischen Erscheinungen die wichtigere Rolle zuerteilt wird. So entstand die Elektronentheorie. Der von Lorentz übernommene Dualismus von Äther und Materie zeitigte dann Schwierigkeiten, deren Überwindung einen so fundamentalen Fortschritt im Gefolge haben sollte. Es ist ja bekannt, daß die Annahme einer Relativbewegung von Äther und Materie zu einer theoretischen Beeinflussung der terrestrischen Optik durch die jährliche Bewegung der Erde führt. Das Experiment widerlegte diese Konsequenz. Damit war die Notwendigkeit einer Umgestaltung der Maxwell-Lorentzschen Theorie gegeben.

Es ist nun bedeutsam, daß bei allen dahin zielenden Versuchen sich die Überzeugung kund gab, daß die Maxwellschen Gleichungen den wahren Ausdruck der elektromagnetischen Gesetzmäßigkeiten darstellten und daß nur die richtige Deutung dieser Gleichungen zu suchen sei. Es ist das große Verdienst von Lorentz, den Nachweis erbracht zu haben, daß durch gewisse Transformationen der unabhängigen Variabeln, bei welchen die Form der Gleichungen erhalten bleibt, eine vollständige Übereinstimmung zwischen Theorie und Erfahrung erzielt wird, und daß vor allem der Einfluß translatorischer Bewegung auf die in einem System stattfindenden Vorgänge

Empfohlene Zitierweise:
Alfred Heinrich Bucherer: Die experimentelle Bestätigung des Relativitätsprinzips. Annalen der Physik, 333 (3), 513-536, Leipzig 1909, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:BuchererMasse.djvu/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)