Seite:Burney - Tagebuch einer musikalischen Reise 3. Bd 1773.pdf/178

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

deren sich der Contrapunkt rühmen kann, verbunden hat. Er hat auch verschiedenemale das Salve Regina und einige Missen komponirt, welche, selbst in den ausgearbeitesten Stellen, durch Simplicität und schöne Melodie noch groß und edel sind.“[H 1]

Die Bewunderer der modernern Musik aber, geben diesem Meister noch weniger Quartier, als seinem Bruder. Seine Ouvertüren und Sinfonies finden sie oft den Lüllischen zu ähnlich, und zu überhäuft mit Noten, um, wenn sie zu Berlin gespielt werden, eine andre Wirkung hervorzubringen, als diese, daß sie die Zuhörer übertäuben; und da, wo das in seinen Concerten und Kirchenkompositionen nicht der Fall ist, ist die Länge eines jeden Satzes unmässiger, als es die christlichste Geduld ausstehen kann.

Vielleicht mag die Wahrheit zwischen beyden in der Mitte liegen. Und in Ansehung des Kapellmeisters sollte man nicht vergessen, daß er selten die Freyheit hatte, dem Hange seines eignen Genies zu folgen.

Es war anfangs nicht meine Meynung, den Leser bey Berlin und seinen umliegenden Gegenden so lange aufzuhalten; allein die musikalische Kunst in Sr. Majestät des Königs von Preussen Landen, ist während höchstdesselben Regierung so

Anmerkungen (H)

  1. [309] Ganz Deutschland hat seine Sinfonien gerne gehört. Seine Manier ist nun freylich grade das Zärtliche nicht. Aber würde man den Poeten verwerfen, der eine etwas brausende feurige Manier hätte, die zwischen dem Kühnen, Erhabenen und Sanften in der Mitte läge? Man würde ihn nicht Oben an setzen – aber verwerfen? So bunt, als viele neuere Sinfonien konnte der Con. M. Graun nicht seyn, das war damals noch nicht ausstehlich. Doch glaub’ ich, die Manier seiner Sinfonien sei sich selbst stets zu gleich, ohne daß er sich ausschrieb. Daß Gedanken geborgt, wird man wohl nicht sagen, so wie nicht läugnen wollen, daß viele aus ihm geborgt haben. Wenn doch ein Burney der Zweyte im Jahr 1783 reisete, wie würden [310] alsdann die Helden Burney’s der Ersten, z. E. Haydn, u.s.w. mitgenommen werden!