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die Leute noch alle im Einklange, und so laut als sie konnten, eben dieselbe Melodie, und mit eben derselben Begleitung singen. Ich ging nach dem Posthause, um meine Abreise zu veranstalten; und mehr Wunderswegen, als aus Liebe zur Musik, ging ich noch einmal nach der Thumkirche, und, siehe da! zu meinem grossen Erstaunen, fand ich die Leute noch eben so bey ihrem ewigen Liede, das nach meiner Meynung noch länger seyn mußte, als die schottländischen Psalmen zu den Zeiten Carls des Ersten.

Dieses mag einigermassen einen Begriff davon geben, wie nothwendig in einigen Gegenden Deutschlands erfodert wird, daß ein musikalisches Stück lang sey.[H 1] In dieser Stadt ist weder eine Hofhaltung noch ein Theater, daher man also natürlicherweise annehmen muß, daß hier die Musik nicht sonderlich kultivirt worden.




Holland.
Gröningen.


Ich vermuthete wenig, daß ich hier etwas von Belang, das die Musik anginge, finden würde. Da ich mich aber nach dem Organisten an der vornehmsten Hauptkirche, St. Martin, erkundigte, ward mir gesagt, er hiesse Lustig. Nun

Anmerkungen (H)

  1. [313] Der Beweiß, wenn auch alles seine Richtigkeit hätte, wäre doch wenigstens wohl nur aus dem 16. Jahrhunderte, denn neue Gesänge hat man in Bremen wohl nicht. Sonst findet man auch unter allen deutschen Tanzmelodien, Liedern u. s. w. der verschiedenen Provinzen, viele die sehr kurz sind; [314] dieses möchte auch einigermaßen einen Begriff geben, wie nothwendig in Deutschland erfodert wird, daß ein musikalisches Stück kurz sey. Der Schluß von 100 Liedchen ist ja wohl eines von einem Gesange werth!