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leichter fortpflanzet: allein ich wüßte gar keinen Grund anzugeben, warum das Clima mehr zum Besten der Musik auf die Böhmen, als auf ihre Nachbarn, die Sachsen und Mähren, wirken sollte.[H 1]

Ich durchreisete das ganze Königreich Böhmen von Süden bis Norden; und da ich sorgfältig untersuchte, wie der gemeine Mann Musik lernte, so fand ich zuletzt, daß nicht nur in jeder grossen Stadt, sondern auch in allen Dörfern, wo nur eine Lese und Schreibeschule ist, die Kinder beyderley Geschlechts in der Musik unterrichtet werden.[H 2]

Zu Teutschbrod, Jenitz, Czaslaw, Bömischbrod und an andern Orten besah ich diese Schulen; und zu Czaslau insbesondre betraf ich sie auf der That.

Der Orgenist und Cantor Johann Dulsick, und der erste Violinist an der Pfarrkirche Martin Kruch, welche zugleich Schulmeister sind, machten mich völlig mit ihren Musickschulen bekannt. Ich besuchte eine, welche voll kleiner Kinder von beyderley Geschlechtern, sechs bis eilf Jahre alt war, welche lasen, schrieben, auf der Geige, der Hoboen, dem Basson und andern Instrumenten spielten. Der Orgenist hatte in einem kleinen Zimmer seines Hauses vier Claviere, und auf jeden übte sich ein kleiner Knabe: sein Sohn von neun Jahren war ein tüchtiger Spieler.

Anmerkungen (H)

  1. [298] Sollte es so ausgemacht seyn, daß sich der Schall in den kalten Zonen schwerer fortpflanzte?
  2. [298] Der Unterricht im Singen wird in Ober- und Niedersachsen auch gegeben. Jede lateinische Schule, und auch Dorfschulen haben ihre Cantores, und in den meisten kleinen Städten ist ein Musikchor. In Thüringen [299] ist es wie in Böhmen. Jedes Dorf hat seine Sänger und Spieler, die sich in den Schulen bildeten, und des Sonntags ihre Kirchenmusiken mit nicht geringer Genauigkeit aufführen. Hiervon hätte Herr Burney doch Nachricht einziehen sollen. Es wäre wohl für einen allgemeinen Geschichtschreiber ein paar Meilen werth gewesen.