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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

mir bleiben,« sprach die Alte zu dem Kinde, »und sollst es gut haben, wenn du alle Tage meinen Hund und meine beiden Katzen ordentlich flöhen willst; und dann habe ich da drei Stuben; zwei davon mußt du jeden Morgen hübsch ausfegen, aber in die dritte darfst du bei Leibe nicht gehen, sonst geht's dir schlecht.«

Da ist denn das Mädchen bei der alten Frau geblieben, hat den Katzen und dem Hunde alle Tage ordentlich den Pelz besehen und auch die beiden Stuben gefegt; aber in die dritte Stube ist es nicht hineingegangen.

Als nun der Sonntag herankam, zog die alte Frau ihr Sonntagskleid an und sagte zu dem Kinde: »Ich will jetzt zur Kirche, darum geh mir derweilen nicht weg, sondern achte gehörig auf das Haus.« Damit ist sie fort in die Kirche gegangen. Das Mädchen aber, während es so ganz allein im Hause war, überkam eine große Neugierde zu wissen, was die alte Frau wohl in dem dritten Zimmer haben möchte; es ließ ihr auch nicht eher Ruhe, bis sie das Zimmer aufgeschlossen hatte. O Leute! Was war da für vieles Geld! Ein Sack stand neben dem andern; hier Kupfergeld, hier Silbergeld, da nichts als lauter Gold. Da raffte das Mädchen schnell einen kleinen Sack voll Gold in seine Schürze, sprang aus dem Hause und fort.

Zuerst begegnete ihm die Ziege, der rief es zu: »Verrath mich nicht!« »Ich verrath dich nicht,« sagte die Ziege; »aber lauf was du kannst.« Da kam es zu der Kuh und rief wieder: »Verrath mich nicht!« »Ich verrath dich nicht,« sagte die Kuh; »aber lauf was du kannst!« Da lief das Mädchen weiter, so schnell es nur konnte.

Mittlerweile war aber auch die alte Frau aus der Kirche wieder nach Hause gekommen; als sie sah, daß die dritte Stube offen und das Mädchen fort war, sprang sie schnell hinaus und hinterher. Zuerst kam sie zu der Ziege und fragte: »Ist hier nicht eben eine kleine Dirne vorbeigelaufen?« »Ne!« sagte die Ziege; »ich habe hier keine Dirne gesehen.« Da lief die Alte weiter zu der Kuh und fragte wieder: »Ist hier nicht eben eine kleine Dirne vorbeigelaufen?« »Nein!« sagte die Kuh; »ich habe keine Dirne laufen sehen.« Da ist die alte Frau wieder umgekehrt, denn sie hat gemeint, das Mädchen müßte wohl einen andern Weg gelaufen sein.

Das Mädchen ist aber glücklich durch den Brunnen wieder heraufgekommen, ist zu seiner Stiefmutter und seiner Stiefschwester gelaufen und hat ihnen das viele Gold gezeigt und gesagt: »Seht! Das habe ich alles von einer alten Frau gekriegt, die da unten im Brunnen wohnt.« Wie das die Stiefschwester hörte, trieb sie der Neid, daß sie auch alsbald in den Brunnen hinabstieg, die alte Frau zu suchen, von welcher ihre Schwester das Gold hatte. Sie fand unten auch die kleine Thür, und als sie hindurchging, lag da der Klotz mit dem großen Beil und Holz daneben, das rief: »Hau mich entzwei, hau mich entzwei!« »Ich will dir was flöten!« sagte das Mädchen, denn es

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_017.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)