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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

sie in der Frauen Bett und band ihr ein Tuch um den Kopf, als ob sie krank wäre, so daß sie der Mann nicht erkennen konnte, als er kam, seine Frau zu besuchen.

Als es nun Abend ward und die Magd allein in der Küche war, kam auf dem Teich her eine Ente angeschwommen, die schnatterte vor dem Gossensteine wie Enten thun: »Niep, Niep! Natt, Natt!« und dann fing sie ordentlich an zu sprechen:

»Weint mein liebes Kind auch noch?
Weint mein lieber Mann auch noch?
Singen meine Vögel auch noch?
Klingen meine Glocken auch noch?«

Da antwortete die Magd:

»Eure Glocken klingen nicht,
Eure Vöglein singen nicht,
Euer Mann und Kind die weinen.«

Darauf ist die Ente wieder weggeschwommen. – Den zweiten Abend kam sie wieder, steckte den Kopf durch das Gossenloch und schnatterte ganz betrübt: »Niep, Niep! Natt, Natt!« und dann fing sie an zu sprechen:

»Weint mein liebes Kind auch noch?
Weint mein lieber Mann auch noch?
Singen meine Vögel auch noch?
Klingen meine Glocken auch noch?«

Und die Magd antwortete:

»Eure Glocken klingen nicht,
Eure Vöglein singen nicht,
Euer Mann und Kind die weinen.«

Darauf sprach die Ente: »Nun komme ich noch ein einziges Mal; dann fasse mich und haue mir den Kopf ab, so bin ich erlöst,« und schwamm fort. Das alles erzählte die Magd ihrem Herrn, der sagte: »Wenn die arme Ente so erlöst werden kann, so mußt du es thun.« Als nun die Ente den dritten Abend wieder den Kopf durch das Gossenloch steckte, faßte die Magd ein Beil und hieb ihn ab; in demselben Augenblicke, da das Blut floß, wich der Zauber; die Frau war erlöst und ging zu ihrem Manne; der freute sich, daß er seine liebe Frau wieder hatte, denn sie erzählte ihm, wie das alles so gekommen und welcher großen Gefahr sie entgangen war.

Der Jäger, der nun wußte, was die Stiefmutter für ein böses Weib war, ließ sich nichts merken, sondern sann, wie er sich am besten an ihr rächen könnte. Auf den andern Abend lud er eine große Gesellschaft; doch mußte seine Frau noch zurückbleiben. Wie sie nun alle zu Tische saßen, stand der Jäger auf und fragte, was sie wohl meinten, daß der Mutter geschehen müßte,

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_024.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)