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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

daß er weithin auf den Boden kollerte; aus dem Halse schoß ein schwarzer Blutstrahl, der Riese zappelte noch ein wenig, dann war er todt.

Da dankten die Königtöchter dem Muschetier vielmal für ihre Erlösung. Der brachte sie an den Ausgang der Höhle, gab den beiden Gefährten das Zeichen zum Aufziehen, und so wurden die Prinzessinnen nacheinander glücklich in die Höhe gezogen. Zuletzt hing sich Muschetier selbst an den Strick; da schnitten aber die treulosen Gesellen das Seil entzwei, weil sie ihre Zaghaftigkeit nicht wollten kund werden lassen, nahmen den drei Königstöchtern den Eid des Schweigens ab, zogen mit ihnen an den Königshof, machten da viel Geschrei von ihren Heldentaten und nahmen Lohn und Ehre und Dank des Königs für sich allein.

Nun hört, wie’s Muschetier erging! Er war traurig in der Riesenhöhle zurückgeblieben, fand keinen Ausweg, wie er auch suchen mochte und meinte schon, das Tageslicht nie wieder zu sehen, als plötzlich das greise Männchen aus dem verwünschten Schlosse vor ihm stand, das aber schnell entfliehen wollte, als es seiner ansichtig wurde. »Halt!« rief Muschetier, »bist du hereingekommen, so weißt du auch, wie man hier wieder herauskommt; zeige mir gleich einen Ausgang aus dieser Höhle, oder ich prügele dich noch einmal mit deinem eigenen Stocke.« Da wurde das Männchen ganz demüthig, denn Muschetier hatte den eisernen Stock noch bei sich, den er aus dem verwünschten Schlosse mitgebracht hatte. Das Männchen führte ihn vor einen großen Spiegel und ließ ihn da hinein sehen. Da wurde er zu einer Ameise, nahm die goldene Sonne, den goldenen Mond und den goldenen Stern, welche die Königstöchter vergessen hatten, in seinen Ranzen und kletterte an der Wand hinauf. Als er oben war, bekam er seine vorige Gestalt wieder, schritt rüstig weiter und kam nach acht Tagen aus dem Walde und in die Stadt des Königs. Da sprach er in der Bude eines Goldschmieds vor, den fragte er, ob er keinen Gesellen gebrauchen könne. »O ja!« sprach der Meister, »wenn du fleißig sein willst und eine goldene Sonne, einen goldenen Mond und einen goldenen Stern zu schmieden verstehst, so kommst du mir schon recht, Gesell! Denn die drei Dinge hat der König gestern bei mir bestellt und sagte, seine Tochter plagten ihn und ließen ihm keine Ruhe den ganzen Tag, weil sie durchaus eine goldene Sonne, einen goldenen Mond und einen goldenen Stern haben wollten. Nun bin ich in Verlegenheit, weil das Ding Eile hat, ich dergleichen aber nie gemacht habe, auch wohl nie zu Stande bringen werde.« »Seid ohne Sorgen, Meister«, sprach Muschetier; »darauf verstehe ich mich, denn das ist gerade mein Fach«; und verdingte sich also bei dem Goldschmiede. Am andern Tage ging er die Arbeit anzugreifen, in die Werkstätte, schloß aber die Thür hinter sich zu, »denn,« sprach er, »beim Arbeiten muß ich ungestört sein, das ist so meine Art«. Es währte nicht gar zu lange, so trat er wieder hervor, trug die goldene Sonne, den goldenen

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_034.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)