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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

hatte drei Jungens, denen befahl er, einem nach dem andern, sie zu hüthen, draußen an der Hecke, bis sie satt sei. Das thaten sie denn auch mit allem Fleiß, und jedesmal, ehe sie aufhörten mit Hüthen, fragten sie ausdrücklich, ob sie genug hätte, und jedesmal gab die Ziege zur Antwort, sie wäre so satt, daß sie kein Blatt mehr möchte; kamen sie aber nach Hause mit ihr und der Vater fragte nach, dann sagte sie immer das Gegenteil. Auf die Bengels ist kein Verlaß, dachte der Schneider, ich muß selbst mit ihr los. Als er nun meinte, sie hätte sich dick gefressen, fragte er doch noch der Sicherheit wegen: »Na Ziege, bist du nu satt?«

Eck bin säo satt,
eck mag näin blatt,

versicherte die Ziege. Als er aber mit ihr nach Hause kam und nochmals die nämliche Frage stellte, fing das launische Vieh an zu meckern und schrie.

Ne!!
Dar satt noch’n blatt,
härr eck dat noch ehatt,
säo wör eck satt.

Das war dem Meister denn doch zu bunt. Er wurde kraus, nahm seine große Schere, schor die Ziege auf einer Seite rattenkahl, schnitt ihr ein Ohr ab und prügelte sie mit seiner Elle bis in den Wald hinaus. Hier wollte sie sich verstecken in einer Höhle, aber im Hintergrund saß der Fuchs und rief ihr drohend entgegen:

Halbgeschoren, halbungeschoren,
wer herein kommt,
dem rutsch ich, dem stutz ich
den stuppsteert (Stumpfschwanz) vor’m ase weg.

Da kriegte sie’s mit der Angst, daß sie den Schwanz auch noch missen sollte, und fing zu laufen an, immerzu in die weite Welt hinein, und wenn sie nicht aufgehört hat mit Laufen, dann läuft sie noch heute.


21. Des Kaufmanns Sohn.

Es hatte ein Kaufmann einen einzigen Sohn und auch eine Tochter. Der Sohn war aber ein Erztaugenichts, und weil er gar nicht gut thun wollte, so schickte ihn sein Vater zuletzt unter die Soldaten, da, meinte er, würden sie ihm schon Ordnung lehren.

Es dauerte nicht lange, so schrieb der Junge nach Haus: er wäre Offizier geworden und da müsse er sich denn die theure Uniform anschaffen, darum möchte ihm sein Vater doch etwas Geld schicken. »Der Junge macht sich,« dachte der Vater und schickte ihm hundert Thaler hin. Er war aber nicht Offizier, sondern noch gemeiner Soldat und ein Taugenichts

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_044.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)