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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

Tages, er wolle mal in seine Heimath zu seinen Eltern reisen, nahm zwei Jäger zu seiner Begleitung und auch viel Geld und schöne Kleider mit. Des Abends kamen sie in einen Wald und verirrten sich; da stieg der eine Jäger auf einen hohen Baum, und als er von da aus in der Ferne ein Licht schimmern sah, gingen die drei in der Richtung weiter und gelangten auch zu der Stelle, wo das Licht brannte, und da sahen sie, daß sie in eine Mördergrube gekommen waren. »Von hier geht kein Weg wieder zurück,« sprachen die Räuber; »ihr müßt nun sterben!« Sie führten auch die beiden Jäger gleich auf die Seite, daß sie sie umbrächten, aber ihrem Herrn nahmen sie Geld und Kleider ab und stießen ihn fasernackt in den Wald hinaus. Er mußte lange irren, ehe der Wald licht wurde, und als er nun endlich auf das freie Feld kam, fand er da einen Schäfer in seinem Karren liegen, den sprach er an um einige alte Kleider, seine Blöße damit zu bedecken. »Meine Kleider habe ich selbst groß nöthig,« sprach der Schäfer; »aber in voriger Nacht ist mir ein Schaf gestorben, dem habe ich das Fell abgezogen, das ist alles was ich dir geben kann.« Da bedankte er sich bei dem Schäfer, hing das Fell um seine Schultern und kam so in seines Vaters Hause an. Aber seine Angehörigen erkannten ihn nicht wieder und als er nun sagte, wer er wäre und daß er eine Königstochter geheirathet hätte, da wurde sein Vater zornig und spracht: »Du bist nie und nimmer mein Sohn! Hinaus mit dir, du Bettler! Bei den Hunden im Stalle, da kannst du dein Futter kriegen.« Und als er das gesagt hatte, ließ er ihn zu den Hunden in den Stall werfen, da mußte er Knochen nagen und nur seine Schwester, die den armen, halbnackten Menschen bedauerte, brachte ihm zuweilen heimlich etwas zu essen.

Die Königstochter saß derweilen daheim und wartete vergeblich, daß er wiederkäme. Da wurde ihre Sehnsucht nach ihm so groß, daß sie aufbrach, ihn in seiner Heimath aufzusuchen. Zu ihrer Begleitung nahm sie viele Jäger mit und kam mit ihnen abends in den Wald und zu der Mördergrube. Da sprach die Königstochter zu den Jägern: »Bleibt ihr jetzt noch zurück, ich will allein hineingehen, ob ich nicht meinen Mann da finde. Wenn ich euch aber ein Zeichen gebe, so kommt mir schnell zu Hülfe.« Da ging die Königstochter allein in die Mörderhöhle. »Von hier geht kein Weg zurück!« schrieen da die Räuber; »du mußt nun sterben.« »Wenn ich denn mein Leben lassen muß,« sprach die Königstochter, »so laßt mich vor meinem Tode nur noch einmal eine Pistole losschießen, denn mein Leben lang ist die Jagd mein größtes Vergnügen gewesen.« Das erlaubten ihr die Räuber auch; und wie sie die Pistole abdrückte, so stürzten auch schon die Jäger herein, nahmen die Kerle gefangen und stachen sie todt, daß auch nicht einer mit dem Leben davon kam. Darauf suchten sie das Räubernest gehörig durch und fanden eine Masse Gold und auch die schönen Kleider ihres Herrn; das alles nahmen sie mit sich fort.

Als die Königstochter nun bei den Eltern ihres Mannes ankam, so fragte

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_046.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)