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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

denn der alte Kahn wird nicht lange über Wasser bleiben.« Als sie nun dem Kapitän die Nachricht brachten, daß sie seinen Befehl ausgerichtet hätten, da mußte ihm die Königstochter einen heiligen Eid schwören, daß sie in ihrem Leben niemandem sagen wollte, was hier vorgefallen und daß ein anderer sie erlöst hätte. Danach so fuhren sie weiter und kamen glücklich ans Land und in die Stadt, wo die Königstochter her war; da gab sich der Kapitän für den Mann aus, der sie von den Spitzbuben befreit hatte und brachte sie zu dem Könige; der hatte eine große Freude, daß er seine Tochter endlich wiedersah.

Nun gut! – – Der arme Königssohn, der fuhr aber derweilen auf der großen See in seinem Kahn. Zwar sein Geld und seine Flöte hatte er gerettet, aber was half ihm das, wenn er nichts zu essen hatte. Er meinte, er müßte elendiglich verhungern und hatte sich schon in sein Schicksal ergeben, als eines Nachts der Kahn an das Ufer stieß; da sprang er heraus und band ihn fest, und weil ihn der Hunger trieb, so stieg er auf einen hohen Tannenbaum, ob er nicht von da ein Licht erspähen könnte und so zu Leuten käme, die ihm etwas zu essen gäben; aber er mochte seine Augen anstrengen, wie er wollte, es zeigte sich nah und fern kein Licht. Da wurde er ganz muthlos und sprach: »Was hilft es mir nun, daß ich der See glücklich entgangen bin; wenn ich hier in der Wildniß vor Hunger umkommen muß, oder den Spitzbuben wieder in die Hände falle. Hätten mich die Wellen verschlungen, so wäre das wohl für mich das Beste gewesen.« Indem daß er noch so klagte, gewahrte er, daß in seinem Kahn, den er am Ufer zurückgelassen hatte, sich etwas Weißes regte, und als er näher hinzutrat, so war es der Geist des armen Mannes, für welchen er die zehn Thaler bezahlt hatte, daß er konnte begraben werden. »Weil du so gut gegen mich gewesen bist«, sprach der Todte, »und hast mir ein ehrliches Begräbniß geben lassen, so will ich dich nun zum Dank schnell in die Stadt bringen, wo der Kapitän morgen mit deiner Frau Hochzeit halten will, wenn du dich nicht noch zur rechten Zeit einfindest.« Als der Todte das gesagt hatte, führte er den Königssohn in dem Kahne noch denselben Tag zu der Königsstadt bis zu einem Gasthause, welches dem Schlosse gerade gegenüber lag. Der Königssohn fragte die Wirthin, ob er nicht die Nacht dableiben und ein Zimmer haben könnte und forderte sich auch ein Glas Wein. Da sah ihn die Wirtin ganz verächtlich an, denn er war ganz schmutzig und trug noch sein zerrissenes Matrosenzeug; »geh nur weiter,« sprach sie, »dies ist hier keine Herberge für Leute deinesgleichen; ich habe das ganze Haus voll vornehmer Gäste, denn morgen ist Hochzeit gegenüber in des Königs Schloß.« Als er aber das Glas Wein mit einem Goldstücke bezahlte, da wurde die Wirtin auf einmal ganz freundlich und gab ihm auch ein Zimmer, wo er die Nacht bleiben konnte. Da ging der Königssohn hinauf, machte das Fenster auf und fing auf seiner Flöte zu spielen an.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_051.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)