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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

gar nicht gern, nahm sie ihnen weg und versteckte sie oben im Hause unter den Hahnenbalken; die Kinder wußten sie aber doch wieder in ihre Hände zu bringen. Als sie sechzehn Jahre alt waren, sprach der, welcher zuerst geboren war, zu seinem Bruder: »Es läßt mir hier zu Hause keine Ruhe mehr; ich will jetzt fort in die Fremde und sehen, daß ich mein Glück mache.« Er nahm ein Pferd, einen Hund, ein Schwert und eine Pistole, verabschiedete sich bei Vater, Mutter und Bruder und ritt weg in die weite Welt hinein. Vorher stieß er aber noch ein Messer in einen Baum, daß sein Bruder daran erkennen könnte, ob es ihm gut ginge oder ob ihn ein Unglück widerfahren sei.

Er ritt eine lange Zeit; da kam er endlich an den königlichen Hof, da waren alle Geländer schwarz mit weißen Knöpfen darauf. In dem Wirthshause dem Schlosse gegenüber nahm er Herberge und fragte sogleich den Wirth, was denn das zu bedeuten hätte; die Gitter um das königliche Schloß wären ja alle ganz schwarz mit weißen Knöpfen. Sprach der Wirth: »Das kommt daher, weil die junge Prinzessin morgen dem Drachen geopfert werden muß.« »Warum wird der Drache denn nicht getödtet?« fragte er. »Ach Gott,« sprach der Wirth; »es haben schon viele versucht, denn der König hat dem seine Tochter versprochen, der den siebenköpfigen Drachen besiegen würde, aber sie sind alle ums Leben gekommen.« Da faßte er den Entschluß, das Wagestück zu unternehmen und ritt den andern Tag zur bestimmten Stunde den Drachenstein hinauf. Da saß die Prinzessin und war ganz schwarz angezogen und weinte und erwartete jeden Augenblick den greulichen Drachen, und indem, so kam das Ungeheuer auch schon heulend und mit Gebrause durch die Luft dahergeflogen und wollte die Prinzessin verschlingen. Aber der Junge ritt ihm muthig entgegen, schwang sein Schwert, und wie er den ersten Hieb that, so flogen drei Köpfe ab, mit dem zweiten Hiebe wieder drei und als er zum dritten Male sein Schwert schwang, lag der siebente und letzte Kopf des Drachen auf dem Boden. Da hatte er die Prinzessin erlöst; die dankte ihm und wollte ihn gleich mit zu ihrem Vater nehmen. Er wollte aber nicht, so viel sie auch bat, sondern sprach: »Erst muß ich noch weiter in die Welt hinein, bis über ein Jahr, da will ich wiederkommen, wenn ich dann noch am Leben bin.« Weil er sich nun gar nicht halten ließ, so schenkte ihm die Prinzessin zum Andenken ihr seidenes Tuch und dem Pferde und dem Hunde, die bei dem Kampfe treulich mitgeholfen hatten, gab sie von ihrem Korallenhalsbande jedem drei Schnüre um den Hals. Darauf schnitt der Junge den sieben Drachenköpfen die Zungen aus, wickelte sie in das seidene Tuch der Prinzessin, und nachdem er von ihr Abschied genommen hatte, ritt er wieder den Berg hinab in das Wirthshaus, zahlte seine Zeche und sprach zu dem Wirthe, wenn ein Jahr vergangen wäre, so käme er wieder zurück; damit zog er weiter fort.

Nun war da an dem königlichen Hofe ein alter General, der hatte aus der

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_070.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)