Seite:Busch Ut oler Welt 081.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

kam der Königin aber doch sonderbar vor, daß das Mädchen zwei Nächte hinter einander immer denselben Traum gehabt hatte, und weil sie gern gewußt hätte, ob etwas Wahres daran sei, so nähte sie einen Beutel, füllte ihn mit Erbsen, schnitt ein kleines Loch hinein, daß die Erbsen allmählich herauslaufen könnten, und hängte ihn an der Prinzessin ihr Bett. In der Nacht kam der Riese auch richtig wieder an; während er aber die Prinzessin forttrug, fielen, ohne daß er etwas merkte, die Erbsen nach und nach aus dem Beutel heraus auf den Boden den ganzen Weg entlang, und als nun die Königin am andern Morgen nachsah, merkte sie wohl, daß ihres Töchterleins Träume nicht ohne Grund waren. Die ausgestreuten Erbsen verriethen ihr den Weg, den der Riese gegangen war, nach dem Gasthause bis vor des Soldaten Zimmerthür. Da nahm sie den Wirth heimlich beiseite und befragte ihn, wes Standes und Herkommens der Gast wäre, der da bei ihm im Hause wohnte. Der Wirth sprach, er wüßte es selber nicht so recht, aber es müßte wohl ein abgedankter Soldat sein, der plötzlich zu vielem Gelde gekommen sei; als er angekommen, hätte er eine alte schmutzige Soldatenuniform getragen. Da lief die Königin schnell hin und holte die Wache, die nahm den Soldaten, ehe er sich’s versah, gefangen und brachte ihn in einen festgemauerten Gefängnißthurm. Der König, da er die Sache erfuhr, verurtheilte den Soldaten zum Tode.

Nun hätte sich der Soldat leicht befreien können, wenn er nur sein Feuerzeug gehabt hätte, das hatte er aber in der Eile in seinem Gasthofe liegen lassen. Den andern Tag sollte er hingerichtet werden. Da saß er nun schon des Morgens ganz früh, da eben der Tag anbrach, ganz traurig vor dem Gefängnißgitter, und wie er so auf die Straße hinaussah, ging da gerade seines Wirthes Dienstmagd vorbei und hatte Milch geholt. Da rief er das Mädchen an und versprach ihr viel Geld, wenn sie ihm sein Feuerzeug holen wollte, das er auf seinem Zimmer vergessen hätte. Das Mädchen lief auch schnell hin und brachte es ihm. Da schlug der Soldat Feuer und sogleich stand der Riese vor ihm und fragte: »Was befiehlt der Herr?« »Befreie mich aus diesem Gefängnisse«, sprach der Soldat. Da lief der Riese fort und holte seine beiden Kameraden, und nun brachen sie die Mauer entzwei, daß der Soldat glücklich in Freiheit kam. Als das geschehen war, sprachen die Riesen: »Wir haben dir nun so viele Dienste geleistet, daß du uns auch wohl den Gefallen thun kannst, uns zu erlösen. In dem verwünschten Schlosse hängt in dem ersten Zimmer ein Schwert an der Wand, damit mußt du uns und den wilden Thieren die Köpfe abschlagen, dann hört die Verwünschung auf.« »Ja,« sagte der Soldat, »so schwer es mir auch wird, an euch meinen Wohlthätern so zu handeln, wenn es nicht anders sein kann, will ich es doch gerne thun. Nur müßt ihr mir aber noch zu guter Letzt die jüngste Prinzessin holen, denn ohne die kann ich nicht leben.« Da liefen die Riesen fort und brachten sie ihm. Der Soldat nahm sie nun mit nach dem verwünschten

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_081.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)