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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

zu ihr. – »Ach,« seufzte sie oft, »wenn doch mein seliger Martin noch lebte.« – Einst, als ihr Mann nicht zu Haus war, kam ein Bettler. – »Wo seid ihr denn her?« fragte die Frau. – »Aus Paris«, sagte der Bettler. – »Aus dem Paradies?« rief die Frau; »dann kennt ihr auch wohl meinen seligen Martin.« – »Tja!« meinte der Bettler; »es giebt da viele Martins; da ist ein kleiner Martin, ein langer Martin, ein dünner Martin, ein dicker Martin« – – »Der dicke«, rief die Frau, »der ist es. Wie geht es ihm denn da?« –»Recht betrübt,« sagte der Bettler; »er muß schnurren gehn, wie ich. Wenn ihr ihm was schicken wollt, so will ich es gern mitnehmen, denn in ein paar Tagen, denk ich, krieg ich ihn wieder zu sehn.« – Da lief die Frau vor das Schapp, holte ihrem Martin sein bestes Sonntagszeug, band es in ein Bündel, nahm einen Beutel voll Geld aus der Lade, reichte alles dem Bettler hin und gab ihm zuletzt auch fürs Mitnehmen noch was extra überher. – »Och«, sagte der Bettler, »das wäre ja nicht nötig gewesen; aber es ist nur bloß von wegen der Steuer an der Grenze.« – Damit verabschiedete sich der Bettler, nachdem sie ihm noch viele herzliche Grüße an ihren seligen Martin aufgetragen hatte. – Als ihr Mann nach Haus kam, war seine erste Frage: »Warum siehst du denn heute so vergnügt aus?« – Da erzählte sie ihm, was ihr eben passiert war. – »Du Gosekopp!« schrie der Mann. Er setzte sich aufs Pferd und jagte hinter dem Bettelmann her. Dieser, sowie er das Pferdegetrappel hörte, wußte Bescheid. Schnell zog er sich splitternackt aus, warf das Zeug in den Graben und huckte auf einer Stelle immer risch in die Höhe. – »Was machst du denn da?« fragte der Kerl. – »Och, och!« jammerte der Bettler. »wir hatten einen Tanz da oben, da kam ich der Luke zu nah, und nun kann ich noch immer den rechten Sprung nicht treffen, daß ich wieder hinauf komme.« Da erkundigte sich der Kerl bei ihm, ob er nicht Wen gesehen hätte mit einem Bündel Zeug. – »Jüst eben,« sagte der Bettler, »lief so Einer, der sich ängstlich umsah, dort in das Buschwerk hinein.« – »Dann will ich ihn wohl kriegen,« rief der Kerl; »halt mal eben mein Pferd so lange.« – Der Kerl sprang ins Gebüsch, der Bettler zog sich schnell an, schwang sich aufs Pferd und galoppierte davon.

»Na, hast’n wiedergekriegt?« fragte die Frau ihren Mann, als er kleinlaut zurückkehrte. – »Ja,« sagte er, »aber der arme Mensch that mir leid, weil er solch einen weiten Weg hat, und da hab ich ihm auch noch mein Pferd gegeben.«

Seitdem sagte er nie mehr Gosekopp zu seiner Frau.


34. Der verwunschene Prinz.

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die hatten nur eine einzige Tochter. Nun begab es sich aber, daß die Frau krank wurde, und weil

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_084.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)