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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

Mann so ganz arm war und keinen Schmaus geben konnte, so wollte ihm niemand zu Willen sein. Darüber wurde der arme Mann ganz traurig und kam in große Sorge, wie er es anstellen sollte, daß sein Kind die Taufe erhielte. Einst, da er auch in derselben Sache war über Feld gewesen und wieder ohne etwas ausgerichtet zu haben den Heimweg ging, begegnete ihm ein alter Mann, der einen grauen Kittel trug; derselbe, als er den Armen so traurig sah, redete er ihn an und fragte, was ihm denn fehlte, daß er so in Sorgen seines Weges ginge? »Ach Gott«, sprach der Arme, »mir ist ein Sohn geboren und die Zeit ist da, daß er muß getauft werden, aber niemand will des Kindes Pathe sein; da bin ich nun in großer Verlegenheit.« »Sei nur wieder guten Muthes«, sprach der graue Mann, »so es dir recht ist, will ich dein Kind wohl aus der Taufe heben.« Das nahm der arme Mann mit Freuden an. Zur bestimmten Stunde stellte sich auch der Pathe ein, und als die Taufe nun zu Ende war, nahm er von dem Armen Abschied und sprach: »Nun trage Sorge, daß der Knabe gut erzogen wird; wenn er vierzehn Jahre alt ist, so will ich wiederkommen und bringen ihm sein Pathengeschenk.« Damit ging er fort. Es war aber unser Herrgott selber gewesen, der dem armen Vater aus seiner Verlegenheit geholfen hatte.

Der Knabe wuchs nun heran und wurde so klug und lernbegierig, daß sich ein jeder darüber verwunderte.

Er wurde vierzehn Jahre alt, und sein Vater hatte schon gar nicht mehr an den grauen Mann gedacht, denn der, meinte er, würde doch wohl niemals wiederkommen und zu der Zeit schon längst gestorben sein. An dem Tage aber, da gerade die vierzehn Jahre herum waren, kam der Mann, der des Knaben Pathe war, in seinem grauen Kittel auf einem wunderschönen Schimmel vor des armen Mannes Haus geritten, stieg ab und trat in das Haus hinein. »Die vierzehn Jahre sind nun herum«, sprach er zu dem armen Manne, »und ich bin gekommen, mein Wort zu lösen und deinem Sohn das Pathengeschenk zu bringen, das soll mein schöner Schimmel sein; wenn der Junge den wohl achtet und pflegt und ihn um Rath fragt, wenn er etwas vorzunehmen gedenkt und immer thut, was das kluge Thier ihm sagt, so wird er niemals in Verlegenheit geraten.« Damit ging er fort und ließ den Schimmel zurück.

Da sprach der Junge zu seinem Vater: »Nun ich den schönen Schimmel habe, will ich auch nicht mehr hier zu Hause bleiben, sondern will wegreiten in die weite Welt hinein und will sehen, daß ich mein Glück mache.« Er nahm Abschied von Vater und Mutter, setzte sich zu Pferde und ritt fort. Nicht lange war er geritten, so sah er dicht am Wege eine Feder liegen, die glänzte wie lauter Gold und Silber. »Ei, ei! die schöne Feder will ich mir nehmen! Was meinst du Schimmel?« sprach der Junge und stieg ab sie aufzuheben. »Laß doch die Feder,« sagte der Schimmel, »das sind ja deine Sachen nicht!« Sprach der Junge: »Lieber Schimmel, die Feder hätt’ ich doch

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_088.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)