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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

gar zu gern; da kann ich schön mit schreiben und dann ist sie gewiß auch viel an Gelde werth; nicht wahr, ich nehm sie nur mit?« »Wenn du meinst, so thu’s!« sagte der Schimmel, »aber das sage ich dir vorher, du thätest besser, wenn du sie liegen ließest.« Aber der Junge kehrte sich nicht an die Warnung seines Schimmels, nahm die Feder mit und ritt weiter. – Zu Nacht kam er an den Hof des Königs, da gab er sich für einen Schreiber aus, und der König, der gerade darum benöthigt war, nahm ihn in seinen Dienst. Nun schnitt er sich die schöne Feder und schrieb damit. Sie war aber so glänzend und gab so hellen Schein, daß er gar kein Licht anzuzünden brauchte, wenn er des Abends beim Schreiben saß. Das sah einer von der Dienerschaft, ging stracks zum Könige und erzählte es ihm, und der König, den es Wunder nahm, ließ den Schreiber sogleich vor sich kommen, und der mußte ihm nun die Feder zeigen. Nicht sobald aber hatte der König die wunderbare Feder gesehen, als ihn auch ein heftiges Verlangen erfaßte nach dem Vogel, der die Feder getragen hatte. »Die Feder ist erstaunlich schön und Goldes werth«, sprach der König, »aber schöner noch und unbezahlbar muß der Vogel sein, der die Feder getragen hat.« »Ja!« sagte der Junge; »wenn man nur wüßte, wo er zu finden ist.« »Du mühest dich vergeblich mich zu täuschen«, entgegnete der König; »wo die Feder gewesen, wird auch der Vogel sein; darum so gebiete ich dir bei Leib und Leben, daß du mir den Vogel zur Stelle schaffst.« Der Junge erschrack und machte Einwendungen, das half ihm aber alles nichts, denn der König verharrte fest auf seinem Sinn. Da ging er unmuthvoll zu seinem Schimmel in den Stall und klagte ihm sein Leid und sprach: »Ach lieber Schimmel, wie will das mit mir noch werden! Nun der König die schöne Feder gesehen hat, nun will er auch den Vogel haben, der sie trug; den soll ich ihm schaffen bei Todesstrafe und weiß doch nicht, wo er zu finden ist. Was soll ich nun beginnen, das sage mir.« »Da haben wirs!« entgegnete der Schimmel; »hättest du damals, wie ich dir rieth, die Feder liegen lassen, so wärest du jetzt nicht in Verlegenheit. Es läßt sich aber wohl noch Rath schaffen. Eine gute Strecke von hier weiß ich ein verwünschtes Schloß, darin hängt in einem goldenen Käfige der Vogel an der Wand; darum so wollen wir uns aufmachen und sehen, ob wir ihn nicht erlangen können.« Da der Junge das vernahm, schwang er sich alsbald in den Sattel und jagte davon, den Vogel aufzusuchen. Ehe er aber zu dem verwünschten Schlosse gelangen konnte, mußte er erst einen großen Strom passiren, darüber eine Brücke geschlagen war. Da er eben hinüber reiten wollte, sah er unten einen Fisch, der war mit einer Kette an das Ufer festgeschlossen und zappelte und mühte sich vergebens, loszukommen. »Wo! Schimmel!« sprach der Junge, als er den armen Fisch so zappeln sah, stieg ab und setzte ihn in Freiheit. »Das will ich dir gedenken,« rief der Fisch; »wenn du meiner einmal bedürfen solltest, so rufe nur: König der Fische!

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_089.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)