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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

mit mir nehmen, das hat er mir geboten bei Todesstrafe. Was fange ich nun an? Das sage mir!« »Da haben wirs!« entgegnete der Schimmel; »hättest du damals, wie ich dir rieth, die Junfer gelassen, wo sie war, so wärest du jetzt nicht in Verlegenheit. Nun heißt es, Schimmel, schaff Rath!« »Ach, lieber Schimmel!« sprach der Junge, »ich will auch von jetzt an immer folgsam sein, wenn du mir nur diesmal noch aus der Noth hilfst.« Sprach der Schimmel: »So gehe nur, wie der König befohlen, von hier fort, dann will ich mich krank stellen, und der Vogel und die Junfer werden auch wohl traurig werden; du aber verkleide dich als alter Arzt und komm zurück und biete dem König deine Dienste an. Da unter der Schwelle liegt eine Ruthe vergraben, damit streiche mir, wenn du wiederkommst, über den Rücken, dem Vogel über die Federn und der Junfer hebe damit den Schleier auf, so wird wohl alles wieder gut werden. Dann reite mich auf dem Hofe spazieren, den Vogel laß vor die Thür in die frische Luft hängen, und wenn dann die Junfer vor die Thüre kommt, so sieh zu, daß du den rechten Augenblick wahrnimmst, zieh die Junfer zu dir aufs Pferd, nimm schnell den Vogel von der Wand und jage fort, so schnell du kannst«.

Der Junge that, wie ihn der Schimmel geheißen hatte, nahm die Ruthe unter der Schwelle hervor und ging fort. Nicht lange war er weg, so lag der Schimmel im Stalle und war krank, der Vogel blusterte die Federn und ließ den Kopf hängen, die Junfer aber saß und weinte. Da kam der Junge, nachdem er sich in einen alten Arzt verkleidet hatte, unerkannt wieder an des Königs Hof und bot seine Dienste an. »Ich habe da«, sprach der König, »einen Schimmel, einen Vogel und eine Junfer, die sind alle drei nicht recht munter, wenn du mir die kuriren könntest, so wollte ich dir viel Geld geben.« Der Junge sagte, er wollte einmal seine Kunst versuchen, ließ sich zu der Junfer bringen, die den Schleier über das Gesicht gezogen hatte und weinte, hob ihr mit seiner Ruthe den Schleier auf, und da erkannte sie ihn und ließ ihr Weinen sein. »Damit es aber gänzlich besser mit ihr wird,« sprach der Junge, »muß sie jeden Tag auf dem Hofe die frische Luft genießen; sonst möchte sie einen Rückfall bekommen.« Jetzt ging es zu dem Vogel. Sobald ihm der Junge mit seiner Ruthe über die Federn strich, hob er den Kopf, putzte sich und sprang munter in seinem Käfig umher. »Er muß aber vor die Thür in die frische Luft gehängt werden,« sprach der Junge, »sonst möchte er einen Rückfall bekommen.« Nachdem der Vogel kurirt war, gings an den Schimmel. Sobald ihm der Junge nur mit der Ruthe über den Rücken strich, war er so munter wie vorher. »Er muß aber täglich Bewegung in frischer Luft haben,« sprach der Junge, »sonst möchte er einen Rückfall bekommen.« Nun ritt der Junge täglich mit dem Schimmel auf dem Hofe herum, der Vogel ward vor die Thür gehängt und die Junfer spazierte zu ihrer Erholung in der frischen Luft herum.

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_091.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)