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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

stieg er wieder zu seinem Herrn in den Wagen und fort gings wie der Wind, daß den vier Hengsten die Mähnen sausten.

Wohl eine Stunde mochten sie so gefahren sein, da ließ der Herr zum vierten Male halten. »Friedrich!« sprach er wieder; »sieh mal hinaus!« »Ja Herr!« »Friedrich, was siehst du denn nun?« »O Herr, ich sehe nicht weit von hier ein Schloß, das ist so erbärmlich schlecht, wie ich in meinem ganzen Leben noch keins gesehen habe.« »Das ist aber gerade das Schloß, mein lieber Friedrich, wo du die sieben Jahre dienen mußt. Jetzt nimm die drei Braten, die wirst du gut gebrauchen können; denn um auf das Schloß zu kommen, mußt du durch drei Pforten; vor der ersten liegt ein Löwe, vor der zweiten ein Bär, vor der dritten ein Wildschwein; dem Löwen gibst du den Hammelbraten, dem Bären den Gänsebraten und dem Wildschwein den Schweinsbraten, so werden sie dich frei passiren lassen; in dem Schlosse aber wirst du Einen finden, der wird dir deine Arbeit geben. Leb wohl, Friedrich und halt dich gut!« Friedrich stieg aus, wie ihm sein Herr befohlen und fort rollte der Wagen wie der Wind, daß den vier Hengsten die Mähnen sausten.

Als Friedrich nun auf das Schloß wollte, so lag vor der ersten Pforte ein Löwe, dem gab er den Hammelbraten; vor der zweiten Pforte lag ein Bär, dem gab er den Gänsebraten, vor der dritten Pforte aber lag ein Wildschwein, dem warf er den Schweinsbraten hin; da ließen ihn die Thiere frei in das Schloß hinein. Kaum war er eingetreten, so kam ihm gleich ein graues Männchen entgegen. »Sieh! Friedrich! Bist du da?« sprach das Männchen; »auf dich habe ich schon lange gewartet. Nun merk auf! Hier hast du ein kleines Stöckchen, damit kannst du dir das nöthige Essen schaffen. In meinem Stalle steht sodann ein Schimmel und ein Esel; dem Schimmel giebst du Aas zu fressen, dem Esel Heu; thust du aber anders und giebst dem Schimmel Heu und dem Esel das Aas, so mußt du sterben. Ferner siehst du da im Hofe zwei Brunnen; aus dem einen, der offen ist, kannst du trinken und auch dem Vieh daraus zu saufen geben, der andere ist mit einer Fallthüre verschlossen, da darfst du aber niemals hineinsehen; thust du’s doch, so mußt du sterben. Noch eins! Merke dir diese Zimmerthür; läßt du dir jemals einfallen, sie auf zu machen, so mußt du sterben. Nun weißt du was du zu thun und wie du dich in deinen sieben Dienstjahren zu verhalten hast. Adieu!« Damit ging das Männchen fort.

Friedrich trat nun seinen Dienst an, fütterte zur rechten Zeit den Schimmel mit Aas und den Esel mit Heu und tränkte sie aus dem offenen Brunnen, wie das Männlein ihm geboten hatte. Mit Hülfe seines Stöckleins wünschte er sich Essen herbei, so viel er mochte; hüthete sich auch wohl in den verdeckten Brunnen zu sehen oder das verbotene Zimmer aufzumachen. So vergingen drei Jahre. Nun hatte er aber, da er so plötzlich von Haus fortgekommen

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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_098.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)