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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

kommt mit einer Schaufel aus dem Hause und gräbt unter dem Baume ein Loch, um seine Schätze da zu bergen. Dann ruft er: »Herodianna! Herodianna! Herodianna!« Der Teufel erscheint bei diesem Ruf, und der Pastor will ihm den Erdschatz in Verwahrung geben. Da sagt der Teufel, es wären zwei Augen zu viel da, aber der Pastor beruhigt ihn. Da spricht der Teufel, so wollte er machen, daß der Schatz nur dann gehoben werden könnte, wenn eine reine Jungfrau auf einem glinsterschwarzen Ziegenbock darüber ritte. Damit ist der Pastor zufrieden und geht fort, nachdem er sein Geld in die Erde gegraben hat.

Der Bauer, welcher alles mit angehört hat, geht zu Haus und kauft sich den ersten schwarzen Bock, der im Dorfe jung wird, zieht ihn auf, setzt sein kleines Mädchen darauf und läßt es über die Stelle unter dem Apfelbaum reiten. Die Erde thut sich auf, der Schatz hebt sich, und so ist der Bauer ein reicher Mann geworden.


38.[1]

In alter Zeit ist mal eine Frau gewesen, die war eine Hexe und hatte eine andere Frau ums Leben gebracht, darum sollte sie zu Tode gebrannt werden. Da sagten die Richter, wenn sie ihnen ein Räthsel aufgeben könnte, das sie nicht herausbrächten, so sollte ihr das Leben geschenkt sein. Da besann sich das Weib, als es schon auf dem Henkerswagen saß und gab ihnen zu rathen auf, was das wäre:

»Up’n bome satt eck,
Ungebôren fläisch att eck,
Hartläiw (Herzlieb) lüchte mî,
Un doch gräode mî.«

Das brächten sie nicht heraus, sagten die Richter, was denn das wäre. Da sagte das Weib: die Frau, die sie umgebracht, hätte ein ungeborenes Kind getragen, das hätte sie herausgeschnitten, geschlachtet und gegessen; ihr eigenes Kind, Herzlieb, hätte sie auch geschlachtet, das Fett herausgebraten und auf die Lampe gegossen; diese Lampe hätte ihr leuchten müssen, als sie auf einem Baume saß und das Fleisch des ungeborenen Kindes aß.

Da mußten die Richter das Weib frei geben und durften es nicht verbrennen, ob es schon eine Hexe war.


39.

Es heirathete mal ein König seine eigene Tochter, und als sie schwanger ward, fürchtete er sich, daß es ruchbar werden möchte und er seines Reiches entsetzt würde. Da brachte er seine Tochter um, schnitt das Kind aus ihrem Leibe und ließ es von einer Amme groß säugen.


  1. Vgl. Volksmärchen Nr. 19.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_131.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)