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Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime

»Feinsliebchen nun schnell und schwing dich
Auf meinen Rappen hinter mich.
Wir müssen heute noch reiten
Zweihundert und zwanzig Meilen.«
Und als sie eine Meile geritten hatten,
Da sprach sie, es ist schon wieder Tag.
»Feinsliebchen, wir wollen hüthen
Unser Rößlein und ich bin müde.«
Der Reuter nahm seinen Mantelsack
Und breitet ihn auf das grüne Gras.
»Feinsliebchen, nun sollst du mich lausen,
Deine goldenen Haare, die sausen.«
Er schaute Feinsliebchen wohl unter die Augen.
»Feinsliebchen, warum bist du so traurig?«
»Warum sollt ich nicht traurig sein?
Ich bin ja dem König sein Töchterlein.
Hätte ich meines Vaters Willen gehorchet,
Eine Kaiserin wär ich geworden.
Das aber, das hab ich nun nicht gethan,
Nun muß ich in dem Lande herummer gahn.
Meine Kleider, die muß ich verkaufen,
Das Geld will der Reuter versaufen.«
Sobald Feinsliebchen das Wort aussprach,
Ihr Haupt im grünen Grase lag;
Hier liege, Feinsliebchen, und faule,
Kein Reuter soll über dich trauern.
Er hängt sie an einen Feigenbaum.
Hier häng, Feinsliebchen, und hänge,
Kein Reuter soll an dich gedenken.


7.

Es wohnt ein Markgraf an dem Rhein,
Der hat drei schöne Töchterlein.
Die ersten beiden heirathen früh,
Die dritte hat’s mit Sorg und Müh.
Sie kam vor ihrer Schwester Thür,
Ach, braucht ihr keine Dienstmagd hier?
Ach, Mädchen, du bist hübsch und fein,
Du liebst ja nur den Herrn allein.
Ach nein! Ach nein! Das thu ich nicht,
Ich will erfüllen meine Pflicht.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Busch: Ut ôler Welt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime. München: Lothar Joachim, 1910, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Busch_Ut_oler_Welt_148.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)