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welche Mannichfaltigkeit in allerley Geschmack, der kunstreichen und galanten, der gebundenen und freyen Schreibart, wo Harmonie oder Melodie herrscht; dort äußerste Schwierigkeit für Meisterhände, und hier Leichtigkeit, selbst für etwas geübte Liebhaber! Wie viel brave Clavierspieler haben seine Stücke nicht hervorgebracht! War er nicht der Schöpfer einer ganz andern Behandlungsart der Clavierinstrumente? Gab er ihnen nicht vorzüglich Melodie, Ausdruck und Gesang im Vortrage? Er, der tiefste Kenner aller Kontrapunktischen Künste, (und Künsteleyen sogar) wußte der Schönheit die Kunst unterthan zu machen. Und welch eine große Menge von Claviersachen hat er gesetzt!

Aber nun zu den Orgelsachen beyder Meister; denn ihr Orgelspiel können wir doch nun einmal nicht mehr gegen einander aufstellen. Von Bachs großen Schülern sind nur noch wenige übrig, und daß Händel große Orgelspieler gebildet und gezogen habe, davon hat man doch nicht gehört. Also nach ihren Werken müssen sie gerichtet werden.

Wenn wir nun beyder Orgelsachen abwägen, so findet sich zum Vortheil J. S. B. ein himmelweiter Unterschied. Den Beweis dieser Behauptung kann man auch Unkennern ohne Mühe einleuchtend machen.

Man wird doch ohne Widerspruch annehmen dürfen, daß das Pedal der wesentlichste Theil einer Orgel sey, ohne welches sie wenig von dem Majestätischen, Großen, Kraftvollen, das ihr allein vor allen Instrumenten zukömmt, übrig behalten würde. Jeder, der irgend weiß, was Orgel ist, wird das einräumen.

Wie aber, wenn Händel nun gerade das, was die Orgel zur Orgel macht, was sie so hoch empor über alle Instrumente hebt, fast ganz aus der Acht gelassen, selten benutzt hätte? Nicht etwa, weil es ihm schlechterdings am Genie dazu fehlte, sondern weil er nicht geübt darin war, oder wenn er auch als Deutscher Uebung des Pedals hatte, als Engländer sie aufgeben mußte? Daß dieß gerade der Fall bey ihm war, ist keinem Zweifel unterworfen, wenn man weiß, daß in England wenig Orgeln mit dem Pedale sind, und daß man dort sogar es nicht einmal vermißt. Ganz anders in Deutschland; da findet man nicht leicht, auch bey der kleinsten Orgel auf einem Dorfe den Mangel eines Pedals. Orgel ohne Pedal nennt man ein Positiv, und schreibt ihm keinen Werth zu. Daher sind denn auch die guten Organisten