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Bekanntlich leidet das grösste und vollkommenste musikalische Instrument, die Orgel, an dem Fehler, dass seine Töne nicht allmählig anwachsen und abnehmen können. Aber auf diesem allmähligen Anwachsen und Abnehmen beruht hauptsächlich der Ausdruck der Musik.

Die vielfachen Anstrengungen, welche daher die Künstler gemacht haben, um der Orgel auch diesen Vorzug zu verschaffen, konnten aber bisher keinen vollkommen glücklichen Erfolg haben; denn es liegt in dem Wesen einer longitudinal


andern Tone in Einklang zu bringen suche, erst durch Erhöhung, dann durch Vertiefung des zweiten Tones, und auf beiden Seiten die Grenzen bestimme, wo das Ohr den Unterschied beider Töne wahrzunehmen anfängt.

Aber die grosse noch vorhandene Schwierigkeit beim Bestimmen der Töne durch das Ohr, liegt darin, dass es uns noch jetzt an einem zuverlässigen unveränderlichen Masstabe für die Höhe der Töne fehlt, an einem Körper, den man sich mit Sicherheit immer von neuem zurichten kann, und welcher immer genau denselben Ton hervorbringt, an einem Tone, der ein Mas für alle übrigen Töne ist, ein Normalton, um alle anderen Töne mit ihm vergleichen und auf ihn reduciren zu können. Welchen Arbeiten haben sich die Physiker der neuern Zeit unterzogen, um ein solches Mas für räumliche Messungen zu gewinnen; welche Entdeckungen waren nothwendig, um durch die gehörigen Correctionen wegen Einflusses der Wärme und der umgebenden Luft, alle Längenmessungen, Barometermessungen und Pendelmessungen unter einander vergleichbar zu machen!
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Weber: Compensation der Orgelpfeifen. B. Schott’s Söhne, Mainz, Paris, Antwerpen 1829, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Caecilia206-229.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)