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§. 2. Das allgemeine Axiom der lebendigen Kraft, und die durch dasselbe postulirte Function.

Für materielle Systeme von gewisser specieller Beschaffenheit, welche (streng genommen) nur unserer Gedankenwelt angehören, kann der Satz der lebendigen Kraft bezeichnet werden als eine unmittelbare mathematische Consequenz unserer mechanischen Grundvorstellungen. Solches ist der Fall, sobald das gedachte System aus unveränderlichen, discreten Massenpuncten besteht, und vom Kräften beherrscht wird, welche, abgesehen von den Massen selber, nur noch von den augenblicklichen Entfernungen abhängen. Auch ist bekannt, dass der Satz in diesem Fall für jeden beliebigen Zeitraum seinen Ausdruck findet in der Formel:



Hier repräsentirt die lebendige Kraft des Systems, und eine gewisse dem System eigenthümlich zugehörige Function, deren Werth lediglich abhängt vom augenblicklichen Zustande des Systems; selbstverständlich sind dabei unter und die den Zeitaugenblicken und entsprechenden Werthe von zu verstehen. Ausserdem bezeichnet diejenige Arbeit, welche während des Zeitraumes verrichtet wird von den auf das System von Aussen her einwirkenden Kräften.

Ziehen je zwei Massenpunkte und des betrachteten Systemes einander an nach dem Newton’schen Gesetz, so wird jene in der Formel (1.) enthaltene Function sich darstellen als ein Aggregat von Termen, deren jeder die Form hat



wo eine Constante, und die Entfernung zwischen vorstellt.

Seit langer Zeit hat nun die Vermuthung sich Bahn gebrochen, dass ein analoger Satz auch vorhanden sein müsse für jedes durch die Natur gegebene materielle System, einerlei, ob unsere Vorstellungen über die innere Beschaffenheit eines solchen Systems deutlich ausgeprägt oder völlig unbestimmt sind; und diese Vermuthung hat durch nähere Untersuchungen, namentlich über die Erscheinungen der Wärme, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit erlangt.

Diesen Vermuthungen und Untersuchungen zufolge würde die Formel (1.) im Falle eines solchen beliebigen Systems zu ersetzen sein durch folgende:



hier repräsentirt dasjenige Quantum Wärme, welches vom System während des Zeitraumes [1]ausgestossen, d. i. nach Aussen abgegeben wird [wobei selbstverständlich eine etwaige Einschluckung


  1. WS: handschriftliche Eintragung am Blattende: * eingeschlukt wird.
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Carl Gottfried Neumann: Die elektrischen Kräfte. Leipzig 1873, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Carl_Gottfried_Neumann_-_Die_elektrischen_Kr%C3%A4fte_025.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)