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Classification der Kräfte. 9


Zeit im System sich entwickelt hat; und es kann daher in diesem Falle das Axiom, ein wenig einfacher, so ausgedrückt werden:

     Das allgemeine Axiom für den Fall constanter Temperatur. Denkt man sich das System in constanter Temperatur erhalten, so wird, mit Bezug auf jedes Zeitelement die im System entwickelte Quantität von lebendiger Kraft und Wärme, vermehrt um das vollständige Differential der Function von gleicher Grösse sein mit der von den äusseren Kräften verrichteten Arbeiten.

     Man pflegt die Function zu bezeichnen als die potentielle Energie des Systems. Zweckmässiger aber scheint es, einen Namen zu wählen, der nicht mehr andeutet, als was in Betreff der Function wirklich zu sagen ist. Demgemäss werde ich mir erlauben, dieses zu bezeichnen als die durch das allgemeine Axiom in Bezug auf das gegebene System postulierte Function, oder kürzer als Postulat des Systemes.

     Es soll nun im Nachfolgenden untersucht werden, in wie weit dieser Satz bei Betrachtung elektrischer Vorgänge in Einklang sich befindet mit denjenigen Gesetzen, welche einerseits von Coulomb, Poisson und Kirchhoff, andererseits von Ampère und meinem Vater in Betreff dieser Vorgänge aufgestellt worden sind; und ferner, in wie weit dieser Satz, als Axiom oder Princip adoptirt, die Mittel darbietet zur Ausfüllung der in jenen Gesetzen noch vorhandenen Lücken.

     Beiläufige Bemerkung. Dass ich den hier erörterten Satz als ein Axiom, nicht aber als ein Theorem bezeichne, hat seinen Grund darin, dass wir für ein beliebiges materielles System den Inhalt des Satzes mit irgend welcher Strenge eigentlich gar nicht auszusprechen im Stande sind. Es hindert uns daran zweierlei. Erstens wissen wir bei einem solchen ganz beliebigen System nicht zu definiren, was unter dem Zustand desselben zu verstehen ist. Zweitens aber könnte sich ja bei einem solchen beliebigen System neben lebendiger Kraft und Wärme gleichzeitig vielleicht noch irgend ein drittes (mit jenen parallel stehendes) Agens entwickeln; und dann würde in die Formel des Satzes neben und auch noch dieses dritte Agens aufzunehmen sein. – Wenn man also auch der Ansicht ist, dass ein Satz dieser Art überall in der Natur existirt, so wird trotzdem die specielle Form, welche dem Satze in jedem einzelnen Falle zu geben ist, immer nur eine hypothetische sein können.


     Ehe ich zur wirklichen Exposition meiner Untersuchungen übergehen kann, sind zunächst gewisse äusserliche Dinge zu besprechen. Es ist nämlich im höchsten Grade schwierig, in diesen Gebieten, die

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Carl Gottfried Neumann: Die elektrischen Kräfte. Leipzig 1873, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Carl_Gottfried_Neumann_-_Die_elektrischen_Kr%C3%A4fte_027.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)