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Die Kirche des ehemaligen Cistercienser Nonnenklosters Porta coeli. 275


Stiftskirche. Überdies ist es wohl bekannt, dass Löwenfiguren als Träger von Säulen an romanischen Kirchen in Italien vorzugsweise angebracht wurden. Das Bild des Löwen am Eingange der Gotteshäuser findet seine Deutung in den Physiologen des Mittelalters, nach welchen der Löwe mit offenen Augen schläft, und somit als Symbol des Wächters des Heiligthums, mit tieferer Beziehung auf den Löwen aus dem Stamme Juda, mit Vorliebe dargestellt ward[1]. Löwen als Säulenträger gewahrt man an den Portalen der Kirche S. Zeno zu Verona, der Kathedrale in Modena, der Kirche zu Chiusi in Toscana, des Domes zu Ferrara, wie auch am Portale der Domkirche zu Trient, an dem bekanntlich der Typus der italienischen Kathedralen deutlich ausgeprägt erscheint. Nicht unbemerkt darf jedoch bleiben, dass auch an mehreren Kirchen im südlichen Frankreich Säulen, die auf Löwen ruhen, vorkommen, und dass auch dort die Portale mit Sculpturen verschwenderisch geziert sind, während der obere Theil der Façade, so wie an der Tišnowicer Stiftskirche, schmucklos sich darstellt. Jedenfalls muss zugestanden werden, dass sich an diesem Portale die südeuropäische Kunstrichtung kundgibt, und dass die weichen Formen der plastischen Bildwerke und die geschmeidige Zierlichkeit des Reliefschmuckes weit entfernt ist von den strengen massvollen, aber auch nüchternen Formen und Ornamenten, die sich an deutschen Baudenkmalen der Übergangsperiode darstellen. Eben diese Überschwenglichkeit der Ornamente, unter deren Fülle die architektonische Modellirung der Portalbogen fast verschwindet, deutet auf eine specielle im Lande selbst sich entwickelte Kunstrichtung hin, und die Ansicht, dass dieses Prachtportal und der gesammte Bau der Abtei zu Tišnowic das Werk eines einheimischen Künstlers sei, muss so lange festgehalten werden, bis nicht ein Analogon, ein ähnliches, aus derselben oder einer früheren Periode herrührendes Kunstwerk in einem anderen Lande wird aufgewiesen werden.

So tritt denn der herrliche Bau der Porta coeli in seiner kunsthistorischen Bedeutsamkeit aus dem Dunkel der Vergessenheit, welches ihn Jahrhunderte lang verhüllte, hervor und reihet sich an die wichtigen Architecturdenkmale unseres Kaiserstaates an, welche, früher verkannt und unbeachtet, erst in neuester Zeit durch den belebenden Impuls der k. k. Central-Commission aufgedeckt und auf entsprechende Weise gewürdigt wurden. – Ein zweites noch älteres Baudenkmal, das ausserhalb der engen Landesgrenze kaum dem Namen nach bekannt war, die prachtvolle Basilica zu Třebič, von der ich eine vorläufige Skizze im 5. Hefte der Mittheilungen der k. k. Central-Commission (Jahrg. 1858) entworfen, dürfte in noch höherem Grade die allgemeine Aufmerksamkeit fesseln[2]. Und es gibt meiner Überzeugung nach in Böhmen und Mähren noch eine bedeutende Anzahl solcher Kunstdenkmale, denen eine solche Auferstehungsfeier bevorsteht, daher man sich wohl in Acht nehmen muss, allgemeine Urtheile, wie sie in neuerer Zeit im In- und Auslande sich kundgegeben, über das Wesen und die Entwickelung der Kunst des Mittelalters in jenen Ländern zu fällen, ehe nicht die Summe der vorhandenen Kunstreste bekannt und der Werth derselben festgestellt ist. Gar manches ehrwürdige Kunstdenkmal ruht noch bei uns im unrühmlichen Dunkel der Vergessenheit; doch beginnt, zumeist in Folge der Bemühung der k. k. Central-Commission, der Sinn für die Bedeutung dieser Culturmonumente in weiten Kreisen sich zu regen, und das Interesse an


  1. Vergl. Dr. Gust. Heider, Über Thiersymbolik und das Symbol des Löwen in der christl. Kunst, Wien 1849.
  2. Veröffentlicht in dem 4. Hefte des II. Bandes der mittelalterlichen Kunstdenkmale des österr. Kaiserstaates, herausgegeben von Dr. Heider und Prof. v. Eitelberger.
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