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Die Laster werden auf Bildern der Verdammniss, aber auch anderwärts durch ihre Folgen und durch die Physiognomie charakterisirt, die sie dem Menschen aufprägen. So der Schlemmer durch den dicken Bauch, der Neidische durch Verzerrung des Mundes und der Augen etc. Hier ist überall Grundgedanke, dass durch Laster die ursprünglich engelmässige Schönheit des Menschen, das Ebenbild Gottes, entstellt und geschändet wird. Es gibt jedoch auch eine gleissende Schönheit des Lasters, die in Versuchungsbildern hervortritt, immer aber etwas Unheimliches hat und dem äusserlich schönen, innerlich aber verbrannten Sodomsapfel gleicht.

Uebrigens verhalten sich die Laster zum Teufel nur wie Theile und Glieder zum Ganzen. Daher in so vielen Teufelsfrazzen, wie sie in der Kirchenmalerei vorkommen, das Bestreben der Maler erkennbar wird, den Ausdruck und das Sinnbildliche vieler Laster in einer monströsen Gestalt zu vereinigen. Zuweilen werden die sieben Köpfe des apokalyptischen Drachen als die sieben Laster unterschieden.

Die Laster stehen in einer vorherrschenden Beziehung zum Schlangensymbol. Sie sind Drachen, Drachenköpfe oder werden durch die lauernde, listige Schlange, wenigstens durch Schlangenhaar angedeutet. Nicht sowohl die hässliche, nur peinigende und das Laster strafende Furie, als vielmehr die süsslächelnde, feinzüngelnde, wunderschöne Medusa mit den in ihrem üppigen Haar ringelnden Schlangen stellt uns das Laster, die Sünde in ihrer verführerischen und zugleich hässlichen Eigenschaft dar.

Correggio malte die Laster als nackte Frauen mit Schlangenhaaren, von denen die Menschen verführt und gefesselt werden, und auf einem andern Bilde als Ungeheuer, die von den Tugenden unter den Fuss getreten werden. Waagen, England I. 463. Mantegna malte die Laster als Satyrn, Kentauren, Affen, die von den Tugenden unter der Gestalt antiker Götter, der Minerva (Weisheit), Diana (Keuschheit) etc. vertrieben werden. Das Bild befindet sich in Paris.

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_013.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)