Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 066.jpg

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besonders die Menschheit, welche durch die Füsse dargestellt wird. Diese Verehrung ist ein Gott besser gefallendes Opfer, als alle Opfer des alten Bundes. Zu Jesu Füssen sitzend hört sie seine Lehre, weil sie ihn als ihren einzigen Meister und Lehrer verehrt. Martha aber begehrte, ihre Schwester solle ihr in ihren Beschäftigungen beistehen. Die ersten Juden, welche an Christum glaubten, wollten die zum Christenthum bekehrten Heiden ebenfalls zur Beobachtung des jüdischen Ceremonialgesetzes nöthigen. Als Maria nicht folgt, klagt Martha es dem Herrn; dieser weist sie zurecht, denn um Gott zu gefallen, um zum Heile zu gelangen, ist nicht erforderlich, so viele im Gesetze enthaltene Vorschriften zu befolgen.“ Das Gleichniss, welches der Heiland den über die Unwürdigkeit Magdalenens murrenden Juden entgegenhält, drückt den Sinn vollkommen aus. „Jesus erzählt das Gleichniss von den beiden Schuldnern, d. h. den Juden und Heiden. Der Gläubiger ist Gott. Die Heiden sind die tiefer Verschuldeten. Beide aber sind gleich unfähig, zu zahlen, und können Gott nur durch Annahme der Gnade befriedigen, die er beiden durch den Glauben an Jesum Christum anbot.“

Gar zart ist die Auffassung einer eigenthümlichen und wie uns scheint früher noch nicht bemerkten Symbolik. Die heilige Magdalena befindet sich nämlich immer zu Jesu Füssen. Sie salbt seine Füsse, benetzt sie mit Thränen und trocknet sie mit ihrem Haar; sie sitzt, während Martha kocht und bratet, als demüthige Schülerin zu des Heilands Füssen; sie umfasst auf Golgatha das Kreuz zu seinen Füssen. Auch das bezieht der Verfasser auf die Demuth der Heiden vor Christo im Gegensatz gegen den Trotz, mit dem ihm die Juden begegneten.

Tief bedeutsam erscheint der Umstand, dass unter allen Personen, die sich nach den Evangelien dem Heilande nahen, Maria Magdalena die Einzige ist, die sich um ihres eigenen Seelenheiles willen an ihn wendet. Schon das allein weist ihr einen hohen Rang in der heiligen Geschichte an.

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_066.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)