Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 068.jpg

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aber dem keuschen Sinn des Christenthums überhaupt und dem Magdalenentypus insbesondere. Denn nur die sündige Magdalena konnte verführen, nicht die reuige und büssende. Der Herr selbst, der ihr nach seinem Tode als Gärtner erschien und, als sie ihn berühren wollte, zu ihr sprach: Noli me tangere, hat gewiss nicht gewollt, dass sie durch sinnlichen Liebreiz verführe. Wenn in ihrem heissen Drange, ihn zu berühren, auch die sinnliche Gluth des alten Heidenthums wiedererkannt wird, so ist es doch gerade diese Gluth, welche Christus ernst und heilig von sich abweist und damit auch den christlichen Künstlern eine inhaltschwere Lehre ertheilt. Die entgegengesetzte Ansicht, welche die üppigste Sinnlichkeit und den verführerischesten Naturreiz in den nackten Magdalenenbildern vertheidigt und das specifisch Christliche darin, die Reue eine „krankhafte Fäulniss geistiger und leiblicher Zustände“ nennt, findet man im Kunstblatt von 1846 Nr. 2.

Am häufigsten sind die Bilder der einsamen Busse in der Wüste. Magdalena erscheint hier als Vorbild aller Einsiedlerinnen im Walde oder in ihrer Höhle, oft ganz nackt und nur mit ihren langen blonden Haaren bedeckt (worin sich besonders die Bilder der venetianischen Schule auszeichnen), zuweilen im schwarzen Trauergewande (von Rubens, siehe Ramdohr III. 65., und von Corello, s. Hand, Petersburg I. 385.), sonst meist im blauen Gewande (von Correggio, Battoni etc.). Bald steht, bald kniet und betet sie, in Thränen aufgelöst. Bald liegt sie und liest in einem Buche. Zuweilen ist sie auch schlafend gemalt (von Lutti und Menendez in Petersburg, Hand I. 330. 387., von Caravaggio in Rom, Ramdohr II. 123.). Neben ihr liegt gewöhnlich ein Todtenkopf. Zuweilen ist sie in Betrachtung desselben versunken (von Carlo Dolce, Waagen, England Il. 249.). Nur selten sind ihr Engel zur Gesellschaft gegeben. Sechs Engel umgeben sie auf einem Bilde von Mantegna zu Paris (Waagen 693); Engel streuen Blumen auf sie, von Cagnacci; ein Engel bringt ihr die Geissel und Dornenkrone der Busse, von Franceschini

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_068.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)