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zu Dresden hat einen eben so wenig schmerzhaften Ausdruck, aber ihr geistreiches Gesicht zeigt, dass sie in die Tiefe der heiligen Schrift versunken, über dem Herrlichen, das sie liest, sich selbst und ihren Kummer vergisst. So viel Geist in den Zügen rechtfertigt die Abwesenheit des Schmerzes. Von Schlegel, a. a. O., ist sie bei weitem zu oberflächlich aufgefasst. Ueber dem weichen Haar, das um die den Kopf stützende Hand quillt, hat er den Ausdruck vergessen. Bemerkenswerth sind die Schicksale dieses Bildes, indem es für eine grosse Summe gekauft, in Dresden des goldnen mit Edelsteinen besetzten Rahmens wegen, den es ehemals hatte, von einem Juden aus der Galerie gestohlen, bis nach Amsterdam gebracht, dort in einen Schornstein versteckt, aber glücklich gefunden und wieder zurückgebracht wurde.

In den berühmten Bildern des Guido Reni ist die Heilige wieder anders aufgefasst, und zwar sah es dieser Maler darauf ab, das Schöne, Reizende, ja Wollüstige in der Form mit dem Schmerzlichen und Begeisterten im Ausdruck, wo möglich auf’s Unzertrennlichste zu verbinden. Mit Recht sagt das Kunstblatt, 1834. S. 136, es sey darin der Gedanke ausgedrückt: „Thränen machen das Schöne noch schöner.“ Es ist hier von dem Bilde im Wiener Belvedere die Rede. Guido malte derselben noch viele und nicht minder schön, die sich in München, Paris (Waagen 496. 777, Kolloff 177), England (Waagen II. 61. 461.), in Rom (Capitol, Pallast Colonna, Barberini [Ramdohr II. 66. 309], Pamphili), in der Sammlung von Lucian Bonaparte, Genua (Pallast Spinola und Brignole) befinden. Einer der berühmtesten Magdalenenköpfe ist der in Madrid, der mit dem antiken Niobekopf verglichen wird. Viardot 59. Mignard malte ebenfalls eine Magdalena so sehr im Styl des Guido, dass sein Todfeind, der Maler Lebrun, sich wirklich dadurch betrügen liess und das Bild für einen Guido erklärte. Fiorillo III. 189.

Im Ausdruck des innigsten und heiligsten Schmerzes hat kein Maler den Spanier Murillo übertroffen. Das liegt in

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_070.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)