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Morgen der ganzen Schöpfung. Es war noch keine Feindschaft unter den Thieren, der Pardel lag friedsam bei den Böcken, Jesaias 11, 6, der Säugling bei der Otter, das. 11, 8. Vgl. Theophilus von Antiochien an den Autolykos II. 27. Rösler, Bibliothek I. 237. Die Thierwelt musste den ersten Frieden der Natur theilen. Auch wohnt ja dieser Friede heute noch unter den Thieren auf von Menschen nie betretenen Inseln. Weltumsegler staunten, dass sich dort die Vögel auf ihre Hand und auf ihre Flintenläufe setzten. Vgl. Condamosta, afrikan. Reise 1446. Die Volkssage setzt auch in einsamen Thälern ein solches Paradies der Thiere voraus. So in den Alpen (Otte, Schweizersagen S. 60. 149, Grimm, Mährchen I. 388.).

In der Beschreibung des Paradieses im zweiten Capitel des ersten Buches Mosis fällt zuerst auf, dass die Bäume ohne Regen vom blossen Thau wachsen. Man hat daraus geschlossen, die Atmosphäre der Erde habe damals eine andere Beschaffenheit gehabt, als jetzt, und das Paradies, wie es ohnehin in die Zeit vor der grossen Fluth fällt, bezeichne eine Stufe der Vegetation und Animalisation, die längst überflözt ist. Insbesondere glaubt man, wenn in allen, auch den eisigen Zonen der Erde jetzt noch versteinerte Pflanzen und Thiere gefunden werden, die nur in einem tropischen Clima fortkommen können, so beweise dies, dass die Erde ehemals ringsum eine gleichförmigere und schwülere Atmosphäre gehabt habe, in welcher der Gegensatz von Trockenheit und Regen, Kälte und Gewitter noch nicht entwickelt war; und das würde dann mit der regenlosen Vegetation des Paradieses übereinstimmen. Es handelt sich von einer Zeit der Sabbathruhe für die ganze Natur, in der die grossen meteorologischen Gegensätze und Prozesse noch so wenig entwickelt waren, als ein feindlicher Gegensatz in der Thier- und Menschenwelt hervorgetreten war.

Linné, der grosse Botaniker, hielt das Paradies für einen Urberg, und glaubte, es sey der erste Berg gewesen, der sich über die Gewässer, die einst die ganze Erde bedeckt, erhoben habe, und auf ihm seyen alle Pflanzen und Thiere

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_188.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2022)