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Christus und dem Mörder Barabbas lässt, welchen sie sich freibitten wollen. Zugleich wäscht er sich die Hände, d. h. sagt sich sinnbildlich von aller Schuld frei, wenn sie Christum nicht wählen, Matth. 27, 24. Dass Pilatus den Juden nachgegeben, wurde ihm durch die treue Anhänglichkeit belohnt, die ihm Herodes seitdem widmete, da sie vorher Feinde gewesen waren. Lucas 23, 12. Pilatus wollte jeden Anlass vermeiden, die ohnehin zu Empörungen geneigte jüdische Provinz aufzustacheln. Als ihr Statthalter hatte er das Interesse, die Ruhe zu erhalten. — Matth. 27, 19. ist der Frau des Pilatus gedacht, die ihn bat, er solle Christum schonen, weil sie im Traume seinetwegen geplagt und gewarnt worden sey. Diese Frau heisst bei Nicephorus I. 30. und im Evangelium Nicodemi 2. Procla oder Claudia Procula.

Die sogenannte acta Pilati oder die Protokolle des Verhörs Christi vor Pilatus bilden den ersten Theil des apokryphischen Evangeliums Nicodemi, und sind schon sehr alt, schon von Eusebius (Kirchengesch. I. 9.) als falsch erkannt. Als poetisch ist darin zu bemerken, dass wie Christus zu Pilatus eintritt, alle Bilder auf den Fahnen sich vor ihm neigen. Im Uebrigen enthalten die Acten nur eine langweilige Paraphrase des Evangeliums Johannis und eckelhafte Zänkereien der Juden über die angeblich uneheliche Abstammung Christi. Vgl. Borberg, Apokryphen I. 287. Winer, bibl. Realwörterbuch s. v. Pilatus.

In der spätern Legende ist der Gedanke durchgeführt, dass sich indifferent gegen das Heilige verhalten, schlimmer sey, als es offen anfeinden. Die kalte Weltklugheit, die ein vorübergehendes zeitliches Interesse wichtiger nimmt, als das ewige Heil, kann nicht stark genug verdammt werden. Der unbarmherzige Tyrann Herodes, der grausame Mörder der unschuldigen Kindlein, ist daher dem wahren Christen nicht so verdammlich und verhasst, wie der glatte, kühle Diplomat Pilatus.

Das schwedische Volksbuch von Judas Ischarioth, welches in Hagens Germania VI. 144 f. mitgetheilt ist, enthält

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_232.jpg&oldid=- (Version vom 17.3.2023)