Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 331.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

behält die Legende Recht, welche vom Gift spricht, aber auch die Symbolik behält Recht, die in der Schlange nichts Böses mehr sieht. Der Evangelist Johannes aber ist der weiseste, geistreichste unter allen Evangelisten. Auf ihn passt vor allen die Schlangenklugheit mit der Taubeneinfalt. Es ist nicht unbedeutsam, dass vom heiligen Bernhard von Clairvaux dieselbe Legende vom Kelch und von der Schlange erzählt wird. Dieser Heilige war einer der weisesten und zugleich mildesten des Mittelalters.

Die Schlange, welche der Apostel Paulus auf der Insel Malta in’s Feuer schleuderte, ist wieder einfach Sinnbild des Bösen. Apostelgesch. 28, 1. Steine aus der Grotte, worin es geschah, sollen gegen Schlangenbiss helfen. Niebuhr, Reise I. 19. — Auch der Apostel Andreas soll durch sein Gebet eine riesenhafte Schlange besiegt haben. Nach der Apostelgeschichte des Abdias.

Schlangen sind das Attribut vieler Heiligen in dreifacher Beziehung. Erstens nämlich solche Schlangen, denen die heiligen Martyrer vorgeworfen wurden, die aber, ihre Heiligkeit respectirend, dieselben unverletzt liessen, so die Heiligen Didymus, Paternus, Phocas, die Heiligen Anatolia, Christina, Thecla. Zweitens Schlangen, die durch ihre Grösse oder Menge eine Gegend beunruhigten, aber von Heiligen vertrieben wurden, wobei darauf Rücksicht zu nehmen ist, dass in einigen Fällen diese Schlangen wohl nur symbolisch zu verstehen sind und nicht wirkliche Schlangen, sondern die alten heidnischen Priester, Druiden etc. bedeuten, die von christlichen Bekehrern vertrieben wurden. So war einer der berühmtesten Schlangenvertreiber der heilige Patricius (Patrik), Apostel von Irland. Nach der Legende bannte er alle Schlangen des Insellandes auf das Vorgebirge Cruachanaigle, von wo sie sich in’s Meer hinabstürzen mussten. Der heilige Romanus zu Rouen überwältigte dagegen eine einzige, aber ungeheuer grosse Schlange, indem er ihr sein Skapulier umwarf. Andere heilige Schlangenvertreiber waren St. Magnus, Julius, Hilarius von Arles, wiederum in Gallien als Gegner

Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_331.jpg&oldid=- (Version vom 15.12.2022)