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in die Bewegung und Mannigfaltigkeit der Materie wie in einen Kerker zur Strafe einzugehen, um sich durch Busse wieder zu reinigen. Ein Grundgedanke, der beiden indischen Systemen, dem des Brahma, wie des Buddha, zu Grunde liegt. Deshalb ist in dieser Lehre auch der Mensch nicht absolut verschieden von Gott, sondern er wird durch angestrengte Busse selber Gott gleich, und sofern die Inder ihren Pantheismus mit Polytheismus verbinden und eine Menge Götter als einseitige Emanationen des göttlichen Urwesens annehmen, zweifeln sie nicht, dass der Mensch durch Busse sich über alle diese Götter erheben und dem höchsten Wesen näher als sie kommen könne. Ja auf dieser Voraussetzung beruht der dem Brahmanismus aufgepfropfte Buddhaismus ganz wesentlich; denn da Brahma, durch seine Phantasie (die Maja) verführt, seine göttliche Ruhe aufgab, um die Bilder seiner Einbildungskraft zu verwirklichen, und aus der Geisteswelt in die Sinnenwelt heraustrat, konnte der Rückweg in die ewige Ruhe des Geistes nur durch die strengste Busse und tiefste Contemplation des Menschen gefunden werden, d. h. im Buddha, der im Gegensatz gegen Brahma nicht von der Gottheit sich erniedrigt zur Menschheit und Thierheit, sondern sich aus der letztern wieder zur Gottheit erhebt. Jenes ist der sündigende Gott, dieses der erlösende Mensch. Es leuchtet ein, dass diese etwas complicirte Vorstellungsweise erst in einer spätern Zeit entstehen konnte, in welcher das Menschengeschlecht schon weit aus der Kindlichkeit herausgetreten war, und in welcher sich einerseits der philosophirende Hochmuth des Menschen, andrerseits auch das böse Gewissen und die Erfahrung im Laster schon geltend gemacht hatten. Die mosaische Lehre erscheint ungleich kindlicher und wahrer.

Der Polytheismus hat überall wenig über die Schöpfung reflectirt. Es genügte ihm, die wichtigsten Elemente und Naturkräfte einzeln zu vergöttern und in dieser Vergötterung zu personificiren. Die auf diese Weise vermenschlichten Götter liess man andre zeugen, unter denen man sich wieder

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_341.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2022)