Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 383.jpg

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war. Die Mönche, die auf Diocletians Befehl in grosser Menge zugleich lebendig verbrannt wurden, sangen unter der Qual, und man hörte ihre Stimmen noch fortsingen in unsichtbarem Chore, als die Leichen längst in Asche zerfallen waren. — Vom heiligen Cedmon sagt die Legende, er habe im Schlafe die schönsten Lieder gesungen.


Sirene.

Die Alten verstanden unter der Sirene ein verführerisches Frauenzimmer mit Vogelfüssen, welches durch seinen Gesang die Schiffer verlockt, aber immer zu deren Verderben. Die Neuern verstehen unter demselben Namen ein verführerisches Frauenzimmer, das durch seinen Gesang in’s Verderben lockt, aber nicht mit Vogelfüssen, sondern mit einem Fischschwanze, Wesen, welche die Alten nicht Sirenen, sondern Tritonen nannten.

In der christlichen Symbolik kommt die fischgeschwänzte Sirene als Sinnbild der sinnlichen Verführung vor, ganz so wie es schon bei Porphyrius im Leben des Pythagoras 39. heisst: „Sirenen sind Begierden, die zur Sünde locken, die zum Verderben führt.“ Als Sinnbild der Verlockung kommt die Sirene vor in den Miniaturen der Herrad von Landsberg in Strassburg, herausg. von Engelhardt S. 45. Die Sage kennt auch eine angebliche Sirene in Afrika, die, vorn ein wunderschönes Weib, hinten aber Schlange, Jeden zur Liebe reize, und den, der sich verführen lasse und in ihren Armen ruhe, von hinten her mit dem an ihrem Schlangenschweif befindlichen Schlangenrachen zerfleische. Chrysostomi orat. 5. Pierii, hierogl. 135. Unter den Werken Albrecht Dürers kommt eine sehr phantastische Sirene mit Rennthiergeweih und grünem Fischschwanz vor, einen Leuchter tragend. Heller, A. Dürer II. 1. 95. Es ist wohl damit die durch Sinnegenuss flüchtigere Zeit gemeint, die des Menschen Lebenslicht rascher brennen macht.

Auf christlichen Bildwerken findet man noch Sirenen

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_383.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)