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eines zerbrochenen Spiegels immer dasselbe ganze Sonnenbild spiegelt, integer in fragmentis. Menetreji, symb. p. 152.

Nach der pantheistischen Lehre der alten Inder war die Natur selber der Spiegel Gottes. Einige Anklänge dieser Lehre gingen in die Gnosis der ersten christlichen Jahrhunderte über. Der Demiurg der Ophiten spiegelt seinen Gotteshass in der Finsterniss ab und aus diesem Spiegelbild entsteht Satan. Andere Gnostiker lassen den Adam in einen Spiegel schauen, den ihm der Demiurg vorhält, in sich selbst verliebt werden und dadurch seine himmlische Natur verlieren. Vgl. meine mytholog. Forschungen und Sammlungen S. 27 f. Neander, gnostische Systeme S. 216. 224.

Die Raskolniks (altgläubige Russen) bedienen sich nie eines Spiegels, weil sie ihn für eine dämonische Erfindung halten. Sie haben davon eine schöne Sage. Ein Mönch las in der heiligen Schrift die Worte: „Bittet, so wird euch gegeben.“ Zweifelnd, ob das wörtlich zu nehmen sey, und doch auch nicht geneigt, die Autorität der heiligen Schrift zu missachten, beschloss er, die Wahrheit jener Worte zu erproben, ersann sich etwas Ausserordentliches, und ging hin zum Czaar, ihn bittend, er möge ihm seine Tochter geben. Der Hof wusste sich vor Staunen kaum zu fassen. Die Prinzessin aber sagte, sie wolle die Seinige werden, wenn er ihr ein Ding verschaffe, in dem sie sich ganz naturtreu vom Kopf bis zu Füssen besehen könne. Die Spiegel waren nämlich damals noch nicht erfunden. Der Mönch entfernte sich ziemlich bestürzt, denn wo sollte er so ein Ding finden? Inzwischen stiess er auf einen gefangenen Dämon, den er unter der Bedingung frei liess, dass er ihm jenes Ding verschaffe. Da machte der Teufel den Spiegel und der Mönch trug ihn zur Prinzessin hin. Diese musste nun Wort halten und die Seinige werden. Aber der Mönch, als er auf diese Weise erfuhr, wie die Worte der heiligen Schrift ihn nicht betrogen hätten, sondern die lautere Wahrheit enthielten, bewunderte die Grösse Gottes und begnügte sich damit, sie erkannt zu haben, ohne von dem Mittel der Hölle, die ihm

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 401. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_401.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2023)