Seite:Christliche Symbolik (Menzel) II 436.jpg

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der Taube vor, die mit einem Oelzweig zu dem aus einem engen Kasten herausschauenden Noah heranfliegt und hier nichts anderes bedeutet als den Engel, der dem Verstorbenen die himmlische Seligkeit verheisst. Das Nämliche bedeuteten die über den Gräbern der Longobarden und Franken aufgehangenen Taubenbilder. Paulus Diac. V. 34. Gregor. Tur. de gloria mart. I. 72. Binterim, Denkw. VI. 3. 501.

Wie die Taube den Engel, so bedeutet der Rabe den Teufel. Beide contrastiren in dieser Weise schon in der Arche Noä, aber auch sonst überall in der christlichen Symbolik. Der sinnreiche Ruprecht von Deutz erkennt in der Arche die durch das Christenthum gerettete Menschheit (das Schiff der Kirche), weshalb die Taube mit der seligen Verheissung dahin zurückkehrt, in den Aasen der auf den Wässern der Sündfluth schwimmenden Thiere, auf denen der Rabe zurückbleibt, um sich mit dem ecklen Frasse zu ergötzen, erkennt Rupert das Judenthum. Sofern aber von Noah drei Tauben entsandt werden, erkennt Rupert in der ersten, die alsbald wieder zurückkehrt, die heilige Taufe, in der zweiten, die mit dem Oelzweig zurückkehrt, die heilige Priesterweihe, in der dritten endlich, welche gar nicht mehr zurückkehrt, den seligen Tod und Uebergang in die himmlische Freude. Rupert. Tuit. p. 44. In einem Hymnus des Sedulius wird die Taube Noä einfach aufgefasst als die Tendenz zum Himmel, der Rabe als die zur Hölle. Fortlage, christliche Gesänge S. 46. In diese Symbolik gehört auch eine schöne morgenländische Sage, in welcher die Taube Noä wirklich mit dem Paradiese in Verbindung kommt. Herder theilt sie in Folgendem mit: „Acht Tage hatte der Vater der neuen Welt auf die Wiederkunft des trägen Raben gewartet, als er auf’s Neue seine Schaaren um sich rief, Kundschafter auszuwählen. Schüchtern flog die Taube auf seinen Arm und bot sich an zur Sendung. „Tochter der Treue,“ sprach Noah, „du wärest mir wohl eine Dienerin guter Botschaft; wie aber willst du deine Reise thun, und dein Geschäft vollenden? Wie, wenn deine Flügel ermattet, und

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_436.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2023)