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zum Attribut den Thurm. Kunstbl. 1821. S. 178. Desgleichen die heilige Barbara, nicht blos weil sie in einen Thurm eingesperrt wurde, sondern auch weil sie keusch und im Glauben felsenfest war. Der Thurm dieser Heiligen hat drei Fenster, d. h. die Heilige wurde durch den wahren Glauben an die Dreieinigkeit stark und fest. — Ein Thurm ist auch Attribut der heiligen Leocadia, weil sie aus einem herabgestürzt wurde.

Kirchenthürme kamen bei den ältesten Basiliken noch nicht vor, sie entstanden erst in der karolingischen Zeit in Frankreich, und charakterisiren die deutsche Baukunst eben so, wie die Kuppeln die morgenländische. Den ersten Anfang zu Thürmen machten die von den Kirchen gesondert aufgestellten und höheren Baptisterien, die man nachher mit dem Schiff der Kirche vereinigte und in deren Spitze man die Glocken aufhing. Allein das Bedürfniss, die Glocken hoch zu hängen, damit sie weiter gehört werden, erklärt die Tendenz der abendländischen Baukunst zu sehr hohen und spitzen Thürmen nicht allein. Offenbar wirkte die Gewöhnung an die riesenhaften Tannen des nördlichen Europa und das Bedürfniss, in den weiten Ebenen des niedern Deutschlands an den Kirchthürmen Anhaltspunkte der Orientirung zu haben, auf den Bau so hoher Spitzthürme ein. Auch finden wir die höchsten in den Niederlanden und in den Reichsstädten der norddeutschen Fläche. Sobald aber einmal aus natürlichen Gründen so hohe Bauten beliebt wurden, suchte die Frömmigkeit damit auch kirchliche Symbolik zu verbinden. Kreuser, Kirchenbau I. 565, erklärt die Kreuzform im Grundriss der Kirchen als Crucifix und sieht demnach in den beiden Thürmen, zwischen denen der Eingang in die Kirche auf der Westseite liegt, die Nägel der Füsse, in den beiden Seitenthürmen, die sich zuweilen finden, die Nägel der Hände, und in den Capellen des Chors die Dornenkrone. Inzwischen erklärt das nicht genügend die Höhentendenz, die vielmehr als ein Aufstreben der menschlichen Sehnsucht, des Gebets und der Tugend zum Himmel empor gedacht werden

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Wolfgang Menzel: Christliche Symbolik. Zweiter Theil. G. Joseph Manz, Regensburg 1854, Seite 490. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Christliche_Symbolik_(Menzel)_II_490.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2023)